Olympos
müssen – größtenteils in den alten, dunklen Treppenschächten –, ohne jede Garantie, dass die fünfzehn Etagen unterhalb der verlassenen Esplanade vo y nixfrei waren.
Viele der ehemaligen Faxknoten-Gemeinschaften in den alten Städten oder den hohen Wohntürmen hatten nach dem Absturz aufgegeben werden müssen. Ohne Elektrizität – die Altme n schen wussten nicht einmal, wo der Strom erzeugt und wie er verteilt worden war – funktionierten die Fahrstühle nicht. Und kein Mensch würde jedes Mal, wenn er Nahrung oder Wasser brauc h te, achtzig, neunzig Meter weit hinauf- oder hinunte r steigen – bei einigen Turmgemeinschaften wie zum Beispiel Ulanbat mit seinen zweihundertstöckigen »Himmelskreisen« auch noch viel mehr. Erstaunlicherweise wohnten jedoch noch einige Überlebende in Ulanbat, obwohl der Turm sich in einer Wüste erhob, in der keine Nahrungsmittel angebaut werden konnten und kein essbares Wild umherstreifte. Des Rätsels Lösung waren die alle sechs Et a gen eingebauten Faxknoten im Turmkern. Solange die anderen Gemeinschaften weiterhin Nahrungsmittel gegen die prächtigen Kleidungsstücke tausc h ten, für die Ulanbat schon immer berühmt gewesen war – und die es in überreichlichem Maße gab, nachdem die Voynixe ein Drittel der Bevölkerung getötet hatten, bevor die Menschen lernten, wie sie die oberen Etagen abriegeln konnten –, würden die Himmelskreise weiter existieren.
In Marinas Turm gab es keine Faxknoten, aber die Überlebe n den dort oben hatten mit erstaunlichem Einfallsreichtum einen kle i nen, außen angebrachten Servitorenfahrstuhl für die gel e gentliche Benutzung durch Menschen umgebaut, indem sie die Seile mit einem System von Flaschenzügen und Kurbeln ve r bunden hatten, sodass bis zu drei Personen in einem Korb von der Straße nach oben befördert werden konnten. Der Fahrstuhl fuhr nur bis zur Esplanadenebene, aber dadurch ließen sich die letzten zehn Stockwerke eher bewältigen. Das war natürlich nichts für häufige Ausflüge – und die Fahrt selbst war haarsträubend, mit erschr e ckend ruckhaften Bewegungen und gel e gentlichen Durchsackern –, aber die rund hundert Bewohner des Turms seiner Mutter ha t ten sich mehr oder weniger von der Welt dort unten gelöst; sie verließen sich auf ihre hoch gelegenen Terrassengärten und Was s ersammler, schickten ihre Vertreter zweimal pro Woche zum Markt hinunter und hatten ansonsten wenig Kontakt nach außen.
Warum reagieren sie nicht? Er zog noch zwei Minuten am Seil und wartete weitere drei Minuten.
Von zwei Blocks weiter südlich kam ein scharrendes Echo, aus der Richtung des breiten Boulevards.
Entscheide dich. Bleib oder geh, aber triff eine Entscheidung. D a eman trat weiter auf die Straße hinaus und schaute erneut nach oben. Blitze erhellten die spinnenartigen schwarzen Buckyspi t zen-Träger und die glänzenden Bambus-Drei-Strukturen an den Tü r men über der alten Esplanade. Etliche Fenster dort oben waren von Laternen erleuchtet. Aus diesem Blickwinkel konnte er das Signalfeuer sehen, das Goman auf der zur Stadt gelegenen Terra s se seiner Mutter im Schutz des Bambus-Drei-Daches brennen ließ.
Scharrende Geräusche kamen aus Gassen im Norden.
»Zur Hölle damit«, sagte Daeman. Es war Zeit, seine Mutter von hier wegzubringen. Wenn Goman und seine Kumpels ihn daran zu hindern versuchten, sie heute Nacht nach Ardis zu bringen, war er bereit, sie alle übers Terrassengeländer in den Krater zu werfen, wenn es sein musste. Daeman sicherte seine Armbrust, damit er sich nicht aus Versehen zwei mit Widerh a ken bewehrte Eisenstücke in den Fuß jagte, betrat das Gebäude und machte sich an den Aufstieg in dem dunklen Treppenhaus.
Als er die Esplanadenebene erreichte, wusste er, dass hier e t was ganz und gar nicht stimmte. Jedes Mal, wenn er in den vergang e nen Monaten hierher gekommen war – immer bei T a geslicht –, hatten hier Wachposten mit primitiven Piken und raffinierteren Ardis-Bögen gestanden. Heute Nacht jedoch nicht.
Lassen sie die Esplanade nachts unbewacht? Nein, das ergab ke i nen Sinn – nachts waren die Voynixe am aktivsten. Außerdem hatte Daeman während mehrerer Besuche bei seiner Mutter – das letzte Mal vor über einem Monat – gehört, wie die Wachen im Lauf der Nacht wechselten. Und einmal hatte er sogar selbst eine Schicht von zwei bis sechs Uhr morgens übernommen, b e vor er müde und mit trüben Augen nach Ardis zurückgefaxt war.
Wenigstens war das Treppenhaus
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