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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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fünfundzwanzig Meter hoch.
    »Nein, danke«, antwortete er mit lauter Stimme. »Lassen wir ’ s eben drauf ankommen.«
    Er rieb sich das Gesicht trocken und zog die hauchdünne Osm o semaske über. Ohne das Stechen des Salzes in Augen und Mund fiel es ihm leichter, sich zu konzentrieren.
    Und es gab vieles, worauf er sich konzentrieren musste. Er ve r suchte immer noch, sich einen Überblick über seine neuen menschlichen Funktionen zu verschaffen.
    Viele dieser neu erworbenen – oder besser neu erkannten – Funktionen waren zusammen mit seinen Freifax-Fähigkeiten g e sperrt gewesen. Harman sah beispielsweise deutlich, wie er sich Zugang zur Logosphäre verschaffen konnte, um Inform a tionen einzuholen oder mit jedem beliebigen Partner irgendwo in der Welt zu kommunizieren, aber diese Funktionen waren von den derzeitigen Herren der Ringe – wer oder was sie auch immer w a ren – deaktiviert worden.
    Andere Funktionen arbeiteten sehr gut, waren jedoch nicht u n bedingt förderlich für Harmans Seelenfrieden. Es gab eine med i zinische Überwachungsfunktion, die Harman auf Anfrage erklä r te und demonstrierte, dass seine Kost aus Nahrungsri e geln und Wasser bestimmte Vitaminmängel zur Folge haben würde, wenn er sie länger als drei Monate zu sich nahm. Sie informierte ihn auch, dass sich in seiner linken Niere Kalzium bildete – was bi n nen einem Jahr oder weniger zu einem Niere n stein führen würde –, dass er seit seinem letzten Besuch in der Klinik zwei Polypen im Dickdarm hatte, dass seine Muskeln altersbedingt verkümmerten – seine letzte Runderneuerung in der Klinik lag immerhin zehn Jahre zurück –, dass ein Streptokokken-Virus es dank seiner gen e tisch ausgelösten Immuna b wehr nicht schaffte, eine Kolonie in seinem Hals zu bilden, dass sein Blutdruck zu hoch war und dass er einen ganz leichten Schatten auf der linken Lunge hatte, dem die Kliniksensoren unverzüglich Aufmerksamkeit schenken sol l ten.
    Na prima, dachte Harman und rieb sich die mit der Therm o haut überzogene Brust, als begänne der leichte Schatten, der garantiert Lungenkrebs war, bereits zu schmerzen. Was fange ich nun mit di e sen Informationen an? Der Weg in die Kliniken ist mir ja momentan ein bisschen versperrt.
    Andere Funktionen dienten unmittelbareren Zwecken. In den letzten paar Tagen hatte er entdeckt, dass er eine Wiederholung s funktion besaß, durch die er jeden Moment und jedes E r eignis in seinem Leben mit erstaunlicher Klarheit noch einmal erleben konnte – eher wie ein reales Geschehen als wie eine E r innerung. Die Funktion spürte die Erinnerung in einem Proteinspeiche r bündel statt in seinem Gehirn auf, lud sie hoch und legte die Wi e derholung auf die Sekunde genau fest. Ein paar Minuten seiner ersten Begegnung mit Ada hatte er bereits neunmal wiederholt (sein Gedächtnis hätte ihm nicht sagen können, dass sie an dem Abend, als er sie bei einer Fax-in-Party kennen gelernt hatte, jenes hellblaue Kleid trug), und mehr als dreißigmal einige Augenblicke ihres letzten Liebesakts. Moira hatte sogar ein paar Bemerkungen über seinen starren Blick und seinen roboterhaften Gang gemacht, während diese Wi e derholungen abliefen. Sie wusste, was er tat, vor allem, weil weder seine Thermohaut noch die Außenbekle i dung seine R e aktion verborgen hatte.
    Harman war vernünftig genug, um zu wissen, dass diese Fun k tion süchtig machte und dass er sie sehr, sehr sparsam d o sieren musste – erst recht bei diesem Marsch über den Meere s boden –, aber er war noch einmal zu bestimmten Gesprächen mit Savi z u rückgegangen, um weitere Informationen aus den Dingen ausz u graben, die sie über die Vergangenheit, die Ringe oder die Welt gesagt hatte – Dinge, die ihm damals unsinnig oder rätselhaft e r schienen waren, jetzt, nach dem kristallenen Schrein, jedoch mehr Sinn ergaben. Darüber hinaus erkannte er voller Trauer, dass Savi in all den Jahrhunderten, in denen sie zu den Ringen hinaufzug e langen versucht hatte, um mit den Nachmenschen zu verhandeln, von sehr unvollständigen I n formationen ausgegangen war; so hatte sie beispielsweise nicht gewusst, dass im Mittelmeerbecken echte Raumschiffe lagerten, oder wie sie mittels Prosperos priv a ter Logosphären-Verbindungen auf die richtige Weise Kontakt mit Ariel au f nehmen konnte.
    Als er Savi in der Wiederholungsvision so deutlich sah, mer k te er, wie viel jünger diese Moira-Iteration von Savis Gesicht und Körper war, aber auch, wie ähnlich sich

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