Online Wartet Der Tod
kann Ihnen nicht helfen. Aber es war nett, Sie kennenzulernen, Ellie Hatcher. Sie sind – selbst unter diesen Umständen – eine Besucherin, gegen die ein Mann im Gefängnis nichts einzuwenden hat.«
»Gut, da meine Gesellschaft Sie offenbar nicht stört und Sie mir sogar – aus purer Neugier – eine Frage gestellt haben, macht es Ihnen vielleicht auch nichts aus, wenn ich das Gleiche tue.« Er nickte kurz. »Wann haben Sie sich die machen lassen?« Sie blickte auf die grünen Swastika-Balken auf seinem Unterarm.
»Drei Monate nachdem die Regierung der Vereinigten Staaten mich hier reingesteckt hat.«
»Für eine Gefängnistätowierung nicht schlecht gemacht. Ich wusste nicht, dass Sie stolz darauf sind, Weißer zu sein.« Bewusst benutzte sie den von den Verfechtern dieser absurden Überlegenheitstheorien bevorzugten Euphemismus für Rassismus.
Grosha sah sich zweimal prüfend um, bevor er antwortete: »Mir ist es scheißegal, welche Hautfarbe jemand hat. Im Vergleich zu mir sehen auch die, die ihr Amerikaner ›weiß‹ nennt, noch dunkel aus. Aber hier drin kommt man allein nicht durch. Das habe ich schnell gelernt. Die Brüder wollen sich um einen, der aussieht wie ich, nicht kümmern. Und das hier?« Er zog den Ärmel über die Tätowierung. »Das war das Einfachste. Ich lasse es später wegmachen. Was ist schon dabei?«
»Sie tun, was Sie tun müssen, um zu überleben.«
»Genau.«
»So ähnlich wie nach Ihrer Festnahme, als Sie sich geweigert haben, dem Staatsanwalt zu sagen, wen Sie mit den Kreditkartennummern beliefern, die Sie der Motel-Angestellten abgeknöpft haben. Ging es da auch ums Überleben?«
»Noch mal: Das mit der Tätowierung war einfach. Sie wissen, dass ich nicht mehr sagen kann, als ich bereits gesagt habe. Aber eins kann ich Ihnen versichern. Wenn ich sage, dass ich einen solchen Mann, wie Sie ihn suchen, nicht kenne, ist das die reine Wahrheit. Würde ich ihn kennen, müssten Sie mich nicht mit – wie haben Sie es genannt? – deutlicher Strafminderung locken. Ich würde Ihnen helfen, oder ich würde ihn gleich selbst umlegen. In Russland kommen Typen, die Frauen etwas antun, nicht so leicht davon; das ist dort anders als hier.«
Auf dem Weg nach draußen blieb Ellie bei dem jungen kurzgeschorenen Wachmann am Eingang noch einmal stehen.
»Haben Sie von Ihrem Russen gekriegt, was Sie wollten?«, fragte er.
»Leider nein, aber ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen. Wenn man hier jemanden besuchen will, dann muss man auf der Besucherliste desjenigen stehen, ist das richtig?«
»Ja. Das muss alles vorher geklärt sein. Spontan hier bei den Aufsehern aufkreuzen, das funktioniert nicht.«
»Könnte ich eine Liste mit Groshas Besuchern haben?«
»Kein Problem.« Er drückte ein paar Tasten. »Die ist nicht lang.« Der Drucker spuckte nur fünf Namen aus, ihren eingeschlossen. Die anderen vier sahen russisch aus, zwei weibliche und zwei männliche. Eine der Frauen, wahrscheinlich seine Mutter, hieß ebenfalls Grosha. Die Männer hießen Ivan Ovinko und Mark Jarkov. Keiner der Namen kam Ellie bekannt vor, und weder Zoya noch Vitali Rostov standen auf der Liste.
Nachdem sie auf dem Gowanus Expressway fast eine Dreiviertelstunde im zäh fließenden Verkehr zugebracht hatte, war Ellie zu kribbelig, um den ganzen Abend allein in ihrer Wohnung am Murray Hill zu hocken. Sie spürte, dass sie kurz vor einem Durchbruch stand, aber ihr ging so viel gleichzeitig durch den Kopf, dass sie nicht in der Lage war, einen schlüssigen Gedanken zu fassen. Tatianas Schwester wusste etwas. Ellie hatte ihr die unausgesprochene Sorge angesehen und war sicher, dass sie mit ihrem Ehemann zu tun hatte. Außerdem hatte sich die Frau ein wenig zu sehr für Ed Becker interessiert; es war deutlich mehr als beiläufige Neugier gewesen, als sie gefragt hatte, ob er von Tatianas Kooperation mit dem FBI gewusst habe. Und dann hatte Flann so viele Verknüpfungen zwischen Becker und dem Fall entdeckt – wie passten die ins Bild? Und was hatten sie mit FirstDate und den ermordeten Frauen zu tun?
Sie zog ihr Handy hervor und wählte Flanns Nummer. »Hallo, ich bin’s.«
»Sind Sie bei der Schwester fertig?«
»Ich habe mit ihr gesprochen, und ich war im MDC bei Lev Grosha. Meiner Meinung nach weiß Zoya mehr, als sie sagt. Vielleicht begreift sie nicht, was es mit dem Tod ihrer Schwester zu tun hat, aber ich muss etwas gesagt haben, das sie … irgendwie aus dem Konzept gebracht hat.«
»Und Sie
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