Pamiu Liebling der Goetter
und verließ mit großen Schritten den Tempel der Sachmet. Er wollte jetzt nur um seinen Sohn trauern.
Khufu traf Meritates vor dem Totenbett seines Sohnes. Sie schien so in ihre eigene Trauer vertieft, dass sie ihn nicht bemerkte. Er kam langsam näher und legte in einer hilflosen Geste die Hand auf ihre Schulter. Er hatte erwartet, dass sie zusammenzuckte, dass sie vielleicht seine Hand wegstoßen würde, doch sie tat nichts dergleichen. Stattdessen sprach sie mit seltsam klangloser Stimme. „Sie haben uns bestraft. Sie haben uns den Sohn genommen für unsere Vergehen.“
„Ich habe die halbe Nacht gebetet, wie du es wolltest, ich habe versucht Sachmet zu besänftigen.“
Meritates schüttelte den Kopf. „Es ist nicht genug. Für das, was geschah, ist es nicht genug gewesen.“
„Was redest du da? Ich war immer ein guter Diener der Götter.“
„Ja, das warst du. Aber warst du auch ein Diener der Menschen?“
Khufu nahm seine Hand von Meritates’ Schulter und wollte gehen. Warum machte ihm diese Frau nur immer Vorwürfe? Wieder einmal spürte er die Distanz zwischen ihnen.
„Ich werde später wiederkommen.“
Meritates schloss die Augen und befragte ihr Herz. Als Khufu schon auf halbem Weg zur Tür hinaus war, rief sie ihm zu: „Bleib bitte. Lass uns gemeinsam um unseren Sohn trauern.“
Khufu hielt inne und haderte mit sich. Dann kam er zurück und nahm sich einen zweiten Stuhl, den er neben den von Meritates stellte. „Wenn es wirklich dein Wunsch ist.“
Meritates nickte. „Ja, es ist mein Wunsch.“
Langsam ließ Khufu sich neben Meritates nieder und starrte auf den Körper seines Sohnes. Aus einem Verlangen heraus griff er nach ihrer Hand, und sie ließ es geschehen.
Als Pamiu auf dem Weg zum Empfangssaal war, kam ihm Meritates entgegen. Sie musste einige Zeit in ihren Gemächern verbracht haben, denn sie trug ein weißes, sauberes Kleid und hatte ihre Augenschminke erneuern lassen. Nun wirkte sie wieder wie eine Königin, und Pamiu stellte fest, dass er sie das erste Mal mit Respekt betrachtete. Sie blieben voreinander stehen, und er versuchte ein schwaches Lächeln, obwohl er vom Tode des Prinzen bereits gehört hatte. Überall im Palast rauften sich die Klageweiber die Haare und streuten sich Asche aufs Haupt, von der es mittlerweile in Memphis mehr als genug gab.
„Es tut mir Leid um deinen Sohn, Hoheit. Ich kann dir nicht sagen, wie sehr es mich schmerzt – für dich als Mutter, für den Pharao, den ich meinen Freund nenne, und auch für Ägypten, da ihm der Thronfolger genommen wurde.“
Meritates nickte schwach. „Ich danke dir. Sowohl der König als auch Kemet haben den schwersten Verlust erlitten, den es für uns geben kann.“ Sie raffte sie Schultern. „Ägypten wird um seine Toten trauern, und es scheint, dass es für jeden Einzelnen hier einen Grund dazu gibt. Wir alle haben etwas verloren, das wir geliebt haben. Wie gerne würde ich mit den Toten tauschen, denn für sie gibt es das Leid und den Schmerz nun nicht mehr. Sie werden auferstehen in den Gefilden des Westens und dort glücklich sein. Wir aber müssen nach den neunzig Tagen der Trauer dafür sorgen, dass die Maat wieder Einzug hält.“
Pamiu wunderte sich einmal mehr über die Stärke, die Meritates zeigte. Niemals hätte er geglaubt, dass sie dazu fähig wäre.
„Ich wünsche mir nur eines – in mein Haus zurückzukehren und die Arbeit wieder aufzunehmen. Ich vermag nicht zu trauern, Hoheit, noch nicht.“
„Dann kehre nach Gizeh zurück, und nimm nach der offiziellen Trauerzeit die Arbeit wieder auf. Ein jeder trauert wohl auf seine Art und Weise.“
„Vielleicht kann ich um die Frau, die ich liebte, trauern, wenn ich sie zu Grabe getragen habe.“
Sie blickte auf die noch immer rußgeschwärzten Wandmalereien. „Ja, vielleicht. Ich denke, einem jeden von uns wird ein ganzes Leben lang Zeit dazu bleiben. Die Götter werden uns diese Last nicht vorzeitig abnehmen.“
„Ich habe niemals an die Götter geglaubt, Hoheit. Ich habe an niemand anderen als an mich selbst geglaubt.“ Er berührte das Pektorale mit dem Kopf der Bastet, das er wie selbstverständlich immer getragen hatte. „Habe ich einen Fehler begangen?“
Meritates blickte ihn zweifelnd an. „Ich kann dir darauf keine Antwort geben. Ich fürchte, diese Frage musst du selbst zu ergründen zu versuchen ... mein Freund.“
Pamiu verbeugte sich zum Zeichen der Anerkennung mit gekreuzten Armen vor Meritates. „Dann darf ich
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