Parallelgeschichten
Passanten. Etwas weiter weg, wo weiße Hauswände die Augen blendeten, war kaum noch eine Seele auf der mittäglich heiß glühenden Straße. Madzar hätte alles kurz und klein schlagen mögen, erst in der Nähe des Elternhauses beruhigte er seinen Schritt ein wenig. Wenn ihm seine Mutter unter die Augen kam, er wusste es, würde er toben wie früher sein Vater. Besser so leise wie möglich ins Haus schleichen, so diktierte es die Vernunft. Er hätte in dem ausgestorbenen Hof brüllen mögen. Bloß nicht durch die für den Empfang weit aufgesperrten mächtigen Türflügel in die Werkstatt blicken, nicht einmal aus dem Augenwinkel, um die lächerliche Möbelausstellung nicht zu zertrümmern. Es hätte nicht viel gebraucht, und er hätte die hilflosen Gegenstände mitsamt ihrer puritanischen Disziplin zu Kleinholz gehackt.
Ich selbst mache mir das Leben kaputt.
Im Sommer legt sich um die Mittagszeit reglose Stille über Stadt und Wasser.
Höchstens eine verirrte Fliege summte hin und wieder am Glas des von Rebenlaub schattigen Verandafensters. Mitten auf der Veranda stand der zu Frau Szemzős Ehren gedeckte Tisch mit den drei Gedecken. Diese mit billigen Abziehbildern verzierten Teller, diese widerlich bunten Gläser mit ihrem barbarischen Schliff, dieses billige und tausendmal geputzte Besteck. Er zog das Jackett aus, ließ es zu Boden fallen, er brauchte es nicht mehr. Leise schob er die hässlichen, löcherigen Schuhe von den Füßen, damit sie nicht auf dem Stein aufschlugen. Er starrte auf diese für feierliche Anlässe angefertigten Sommerschuhe, oder vielmehr auf die Stellen, die sein Vater mit seinen Füßen ausgetreten hatte. Auch die Hose schob er leise hinunter. Und am Schluss riss er sich das unter dem Jackett patschnass geschwitzte kurzärmelige Hemd vom Leib. So stand er lange da, in der weißen Unterhose seines Vaters, mit seiner milchweißen Haut.
Er durfte sich nicht setzen, der Korbstuhl hätte laut geächzt.
Jetzt hatte er nicht einmal mehr Lust, das Gedeck vom Tisch zu fegen, damit wenigstens alles in kleine Stücke sprang, wie es sein Vater mehr als einmal beim sonntäglichen Mittagessen getan hatte. Aber kein Teil seines Körpers, der die Freuden des Zertrümmerns nicht vorausgefühlt hätte.
Dann würde seine gedemütigte Mutter kommen, die alles vom Boden auflas und noch froh sein durfte, nicht verprügelt zu werden. Sie hat ihr Leben als das Dienstmädchen meines Vaters zugebracht, und sie wäre bedenkenlos auch mein Dienstmädchen. Das Herz würde ihm brechen, er spürte es. Er hörte keine Geräusche vom Flur, wahrscheinlich wartete sie auf der anderen Seite des Hauses, in der Sommerküche, mit den servierbereiten Gerichten.
Dass doch der gottverdammte Himmel über diese Scheißwelt hereinbreche.
Während er die sorglich gefaltete Arbeitskleidung vorsichtig vom Deckel der Truhe hob, unterdrückte er auch ein lautes Fluchen.
Es gelang ihm, lautlos durch den Flur zu gehen und die Tür des um die Mittagszeit verdunkelten Wohnzimmers geräuschlos hinter sich zu schließen.
Nicht einmal die Klinke klickte in der Stille.
Er lag lange reglos auf dem Sofa.
Auch seine Nächte verbrachte er jeweils auf dem Sofa im Wohnzimmer, und vielleicht schlief er auch jetzt ein wenig. Denn plötzlich schrak er hoch und sprang auf die Füße, als ginge es ihm an den Kragen. Er musste arbeiten, sonst würde er nicht rechtzeitig fertig, sollen sich andere amüsieren, er griff schon nach der Arbeitskleidung, wie an jedem Morgen. Schon steckten seine Beine in der Drillichhose, als ihm der ganze gestrige Abend einfiel, Frau Szemzős Telegramm, seine Lächerlichkeit, und dass die Szemzős tatsächlich eingetroffen waren. Er setzte sich in der halb angezogenen Hose aufs Sofa zurück, nahm das Telegramm aus der Tasche, wo er es am Vorabend mit schamrotem Gesicht versteckt hatte, und entfaltete es auf den Knien. Er musste sich im Halbdunkeln nahe übers Papier beugen, was seinem Ausdruck etwas Kindliches verlieh. In seiner Schmach beugte er sich später noch stärker vor, wie jemand, dem schlecht ist. Er vergrub das Gesicht in beiden Händen. Wie hatte er so tief sinken können. Etwas umständlich, ein bisschen verschnörkelt, aber es stand doch alles in dem Telegramm.
Wie hatte er es so missverstehen können.
Nicht das hatte er gelesen, was der Telegraphenapparat aufs Papier geschrieben hatte, sondern in den Buchstaben seine lächerlichen Phantasien gesehen. Wie hatte er sich diesem Frauenzimmer so ausliefern
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