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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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weitkrempig heruntergebogenen, frech in die Augen gezogenen, mit einem sacht wippenden Federbausch geschmückten malvenfarbigen Hut herausblickend verfolgte sie mit lebhaftem Interesse und einigem Befremden von der Schuers gewagte Geste.
    Die Vertraulichkeit verriet mehr über die gespannte, komplexe Beziehung zwischen diesen beiden Menschen, als sie selbst wissen oder der Außenwelt mitteilen wollten. Nach einer so ergreifenden Predigt, fuhr von der Schuer jetzt um etliches leiser mit einer der Vertraulichkeit der Geste angepassten Stimme fort, hat man doch das Bedürfnis, sein Gewissen zu erleichtern.
    Ich hoffe, Sie verstehen, was ich meine, fügte er hinzu.
    Seinen höflich gemeinten, aber eigentlich zerstreut hingeworfenen Satz schnitt er mit einer keinen Widerspruch duldenden Geste ab und bedeutete ihnen, dass er sie zum Mittagessen erwarte, worauf er ihnen ganz plötzlich den Rücken kehrte, um sich seiner Familie anzuschließen, die, an den Rand der Menge gestrudelt, auf ihn wartete.
    Ein kühner, kühner, aufwühlender, faszinierender Mann, bemerkte Gräfin Auenberg nicht ganz ohne Schärfe, während sie beide mit behandschuhten Händen über die Köpfe hinweg Freifrau Erika allerfreundlichst zuwinkten.
    Wahrscheinlich weißt du nie recht, woran du mit ihm bist.
    In diesen Tagen war der Himmel über Berlin wolkenlos blau.
    Gewiss, antwortete Baronin Thum mit etwas übertriebener Strenge, ein aufwühlender, unberechenbarer Mensch, aber es wäre nicht ratsam, auch nur einen Augenblick zu vergessen, dass er vor allem ein hervorragender Wissenschaftler ist, ein brillanter Kopf, und deshalb darf man ihm einiges verzeihen.
    Bevor sie sich in der tannenduftenden, schattigen Straße auf den Weg machten, warf die Baronin einen prüfenden Blick auf das in jugendlicher Gesundheit strahlende Antlitz der Gräfin, um zu sehen, ob von der Schuers rohe Manieren sie verletzt hatten. Es ging das Gerücht um, der Horthy-Junge, Mihály, solle zum König von Ungarn gewählt werden, und dann würde ja ihre junge Freundin, im Übrigen die beste Freundin der albanischen Königin Geraldine und durch sie bereits an den europäischen Höfen eingeführt, selbst auch Königin.
    Und weißt du, sagte sie mit einem rauen kleinen Lachen, das gleichzeitig von Selbstironie und der an Hass grenzenden Bewunderung für ihren Chef getönt war, von seiner männlichen Schönheit, ich kann’s nicht ändern, bin ich jedes Mal fast erschüttert.
    Es ist mir nicht entgangen, dass sie auch dich frappiert hat, fügte sie ganz vorsichtig hinzu.
    Gräfin Imola blickte unter ihrem Hut eher fragend hervor, der eifersüchtige Beiklang des Satzes war deutlich.
    Wie kannst du so etwas sagen, wie kannst du überhaupt so etwas denken, sagte sie vorwurfsvoll, wenn auch nicht ohne Selbstironie oder provokante Absicht.
    Ich möchte gar nicht wissen, woran du denkst.
    Ach, entschuldige, wahrscheinlich sind die Pferde mit mir durchgebrannt.
    Die durchgebrannten Pferde waren aus mehreren Gründen ein heikles Thema, das umso eher auftauchte, als sie es vermeiden wollten. Die beiden Frauen waren stark voneinander angezogen, Imola schon als junges Mädchen von der erwachsenen Frau, und seltsamerweise auch die reife Frau von der jungen. Das war ungewöhnlich, sie fühlten es und erklärten es sich gerade mit dem Altersunterschied, den verschiedenen Lebenserfahrungen. Gräfin Imola und ihre beiden Schwestern waren in frühester Kindheit von ihrer unbarmherzigen Mutter wegen eines großen Windbeutels verlassen worden, sie hatten sie seither nicht mehr gesehen, angeblich lebte sie mit dem Windbeutel im Ausland, in sehr bescheidenen Verhältnissen, versteht sich. Karla Baronin von Thum zu Wolkenstein ihrerseits war mit einem Sohn gesegnet, empfangen in einer sehr frühen Liebschaft, und seit der Junge geboren war, lebte sie ein streng zurückgezogenes Gelehrtenleben, fast als tue sie Buße. Den Jungen hatte sie irgendwie untergebracht, in der Hoffnung, dass ihr die Familie doch noch verzeihen würde. Törichte, unnötige Gefühle konnte also keine der beiden gutheißen, selbstverständlich redeten sie auch nicht davon. Trotzdem konnten sie nicht viel dagegen tun. Vom ersten Augenblick ihrer Bekanntschaft an hatte es zwischen ihnen eine Geheimsprache gegeben, und in dieser Sprache verrieten sie einander viel von ihrem stillen, ausdauernden Kampf gegen den Gefühlsüberschwang.
    Wenn ich dir gegenüber ehrlich sein darf, sagte Gräfin Imola leise.
    Mit etwas anderem rechne ich

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