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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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gar nicht, sagte Baronin Karla trocken.
    Sein Wuchs mag ja sehr gewinnend sein, er hat schöne Lippen, meinetwegen, auch in seinem Blick ist etwas Entwaffnendes, als würde er ganz tief in dich hineinschauen und deine geheimsten kleinen Frauengedanken sehen, aber mit seiner Nase, wenn ich das so sagen darf, verbreitet er wohl Furcht und Schrecken, in mir kam richtige Panik auf.
    Mit seiner Nase, Baronin Karla schaut ihre Freundin fragend an, wieso ausgerechnet seine Nase.
    Ehrlich gesagt, ich verstehe deine Aufregung nicht.
    Gerade gegen seine Nase hättest du etwas einzuwenden, das überrascht mich wirklich, Imola, ja, es entsetzt mich. Schon wegen der Nase deines Verlobten tust du heikel, was hast du denn eigentlich. Gestern hast du mir die Knollennase deines zukünftigen Schwiegervaters eindrücklich beschrieben. Sie musste unwillkürlich ans Rot der
Boîte
und an ihr hübsches kleines elfenbeinernes
godemiché
denken; an den rätselhaften Freund, der es ihr beim Abschied dagelassen hatte, als wollte er sagen, von jetzt an musst du allein für deine Freuden sorgen.
    So wie er aufgetaucht war, verschwand er auch aus ihrem Leben.
    Papa Miklós hat eine gütige Nase.
    Dann habe ich dein Befremden falsch verstanden.
    Ja, mag sein.
    Das klingt seltsam, alles, was du sagst, klingt verdächtig, du kommst mir heute sehr merkwürdig vor.
    Sie klapperten eine Weile stumm in ihren hochhackigen Schuhen dahin, in bedrückende Gedanken versunken, ein wenig beleidigt.
    Das von jahrhundertelangem Gebrauch glänzend gewordene kleine chinesische
godemiché
bewahrte die Baronin im Schlafzimmer in einem abschließbaren chinesischen Sekretär auf.
    Aber wieso kam ihr das jetzt in den Sinn, neben diesem engelsgleichen Geschöpf, das ahnungslos neben ihr herklapperte und offensichtlich unaufhaltsam ins Verderben rannte, fühlte sie sich bis ins Mark verdorben.
    Wie jemand, der vom anderen Rand des fatalen Abgrunds zurückblickt.
    Nimm es mir nicht übel, sagte die Gräfin, in ihrer Stimme lagen gleichzeitig Leidenschaft und Berechnung, aber als hätte er nicht einfach eine Nase, sondern einen Rüssel, einen Schnabel, sie wächst ihm direkt aus der Stirn, sagte sie fast zischend, denn sie kämpfte gegen eine echte Aufwallung. Um jeden Preis seine Anziehungskraft niederringen, um die einzig wichtige Anziehung nicht zu gefährden.
    Wie der Schnabel eines Marabus, mit dem er in dich hineinsticht, eines Pinguins, und keine menschliche Nase.
    Wie ein großer Vogel.
    Die Baronin beobachtete Gräfin Imola schon seit mehr als zehn Jahren.
    Jedes Mal war sie überrascht, was für eine Menge zerstörerischen Hasses dieses mit einem engelhaften Äußeren gesegnete und tatsächlich unschuldige, höchst intelligente fragile Wesen, das sich in Gesellschaft mehr als tadellos benahm, mit Hilfe der Regeln und Formen unterdrücken und von sich fernhalten musste. Was alles mochte in ihr toben, und wieder musste sie an ihre eigene, zu Stummheit verurteilte Sinnlichkeit denken. Auch wenn das Toben nichts Persönliches hatte, die Gräfin war wirklich naiv. So viel kompakten Hass konnte doch Freiherr von der Schuer, den sie gerade kennengelernt hatte, bei ihr nicht ausgelöst haben, er verdiente ihn auch nicht.
    Das lag bei den Auenbergs in der Familie, wie die Baronin wusste.
    Die Ärmsten, die sind tatsächlich fähig, in den unerwartetsten Momenten wegen irgendeiner Kleinigkeit in Rage zu geraten.
    Sie war ein wenig größer als Imola, stärker, vorsichtig schaute sie auf sie hinunter.
    Um sie mit ihrem Mitleid nicht noch mehr in Verwirrung zu bringen.
    Gleichzeitig wurde die Baronin auch wütend auf dieses Mitleid erheischende Dummerchen, allem Verständnis und aller Nachsicht zum Trotz. Ihr will sie den Mann ausspannen, dafür hat die Kleine dann doch Sinn. Sie wurde so wütend, dass auch ihr um ein Haar der Kragen geplatzt wäre, aber bei ihnen in ihrer Familie war man eher nachdenklich und unfähig, die Ruhe und die Distinktion aufzugeben.
    Was für eine kleine Schlange.
    Sie will mir die Anziehung, die dieser Mann auf mich ausübt, kaputt reden, obwohl ich sie nur schon karrierehalber brauche.
    Was für ein spitzes Zünglein sie hat. Zieht scharfzüngig über ihn her.
    Da spürte sie das Gewicht seiner Hand noch am Arm und wusste doch, dass sie, abgesehen von den gemeinsamen wissenschaftlichen Interessen, keine Chancen bei ihm hatte. Diese läppische, wissenschaftlich unbeleckte Salonschönheit hingegen im Übermaß.
    Sie musste auch knirschend

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