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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Jahre zuvor Olis Hochzeit gefeiert, und er kehrte regelmäßig hierher zurück. Das Haus hatte seinem Schwiegervater gehört. Er hatte es ihnen geschenkt, und Oli hatte es nicht in ein Tränenmuseum verwandelt. Man fühlte sich wohl dort, und er fühlte sich wohl dort. Seine Erinnerungen waren lebendig und heiter, Meryls Schatten war gegenwärtig und zart zugleich, und Oli sah zu, daß er einen mit seinem Kummer verschonte, wenn er ihn ein wenig zu sehr drückte – was noch vorkam. Edith und ich hatten hier mehrmals Urlaub gemacht, am liebsten im Frühling oder im Herbst, je nachdem, wie es uns die Schulferien erlaubten. Die Mädchen liebten diesen Ort. Und natürlich hatte ich nie geglaubt, mich eines Tages allein dort aufzuhalten und ein unsägliches – totales? wahnsinniges? gräßliches? – Chaos hinter mir zu lassen.
    Truro und die anderen Dörfer im Umkreis von dreißig Kilometern waren zu »Trockenzonen« erklärt worden, was hieß, daß man dort nicht den geringsten Tropfen Alkohol bekam. Und sonntags war der ganze Staat Massachusetts trocken, und in dem Punkt kannten sie keinen Spaß. Und jetzt hatten wir Samstag.
    Wir überlegten kurz, dann fuhren wir los. Oli setzte sich ans Steuer, und wir fuhren nach P.-Town, in der Hoffnung, zu dieser frühen Morgenstunde das Problem in aller Schnelle regeln zu können. Der Tag ließ sich herrlich an, die Luft, die durch meine Finger wehte – jetzt mußten wir uns auf fünfundfünfzig Sachen beschränken –, war eine freundliche Liebkosung, die lauwarm wurde, wenn ein Fahrrad oder eine Großmutter in einem Ford Continental vor uns herfuhr, denn das war eine kleine Nebenstraße ohne eine Möglichkeit, irgendwen zu überholen, da sie von einer doppelten gelben Linie geteilt wurde, deren Ende nicht abzusehen war.
    Als wir in der Stadt ankamen, spürte ich die Müdigkeit, die mich beschlich, das Gewicht, die Bedeutung meiner Anwesenheit in Cape Cod. Wir setzten uns einen Moment in die Sonne, Oli stellte eine Liste der Besorgungen auf, die wir zu erledigen hatten, und ich kämpfte gegen eine erste Attacke von Melancholie an, die mir seit unserer Abreise zusetzte. Dann ging Oli in ein Geschäft. Ich stand meinerseits auf, aber statt ihm zu folgen, guckte ich mir die Badehosen in der Boutique daneben an, und das Ganze erschien mir absurd. Mußte ich ebenfalls ein Sonnenöl kaufen, um meine Bräunung voranzutreiben, eine Creme, um meine Nase zu schützen? Was glaubte ich, wo ich war?! Ich streckte einen Arm aus, um den Stoff der Badehosen zu befühlen, vor allem jedoch, weil mich die Verkäuferin betrachtete und weil das Leben irgendwie weiterging. Nichtsdestoweniger grinsten sie mich mit ihrem lässigen Stil, mit ihrem Pink, ihrem leuchtenden Grün und ihrem phosphoreszierenden Gelb höhnisch an. Das Mädchen, beide Ellbogen auf dem Ladentisch, rief mir zu, knallrot würde mir gut stehen.
    »Jack Nicholson hab ich die gleiche verkauft!« verriet sie mir, als sie mir das Wechselgeld herausgab.
    »Oh! Do you?« wimmelte ich sie ab.
    Wir kauften Wein, Bier und Spirituosen und verstauten alles im Kofferraum. Dann strichen wir eine Zeitlang um die Angelruten herum, wir nahmen die neusten Modelle in die Hand und betrachteten die modernen Graphitrollen, darunter eine, die einem zwei Geschwindigkeiten mit automatischem Wechsel versprach, wir ließen uns die notwendigen Erläuterungen geben, aber zum guten Schluß nahmen wir nur zwei Spulen mit Silikonschnur und ein paar Köder, und der Typ meinte, der Tag fange ja gut an.
    Danach fuhren wir zurück. Ich machte es mir auf dem deck in einem Liegestuhl bequem, wollte mir eine Zigarette anzünden, aber das Päckchen fiel mir aus der Hand, und ich schlief urplötzlich ein, wie vom Schlag gerührt.
    Ich wurde wieder wach, als die Sonne unterging, als sie durch die hohen Gräser strich, die struppig aus den Dünen wuchsen, und die Wellen kräuselte und den Schatten des Hauses über meine Schultern warf. Ich hatte einen Sonnenschirm neben mir, und am Kopfende wurde er von einer leichten Decke abgelöst. Und die Luft roch so gut, daß ich einen Moment lang wie verklärt lächelte, dann faßte ich mich.
    Wir gingen zum Strand hinunter, ein Glas Wein in der Hand, während die Kohlen auf dem Grillrost rot glühten. Man gelangte über eine Holztreppe von ungefähr fünfzig Stufen dahin. Sie war in keinem sehr guten Zustand. Fast hätte ich etwas gesagt, als sie unter uns wackelte und ächzte, aber ich hielt mich zurück.
    »In zehn Jahren

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