Pas de deux
haben sie uns!« prophezeite Oli und hielt prüfend sein Glas gegen das Licht.
Eine einäugige Möwe watschelte um uns herum, ohne den Blick von uns zu wenden, was ihr gewisse Probleme zu bereiten schien, leider hatten wir nichts für sie. » … Und ich noch weniger als jeder andere …« dachte ich mit einer solch plumpen Rührseligkeit, daß mir vor der nahen Zukunft grauste, und ich wandte den Kopf ab aus Angst, Oli mißdeute den feuchten Blick, den ich dem Tier schenkte, und verstehe nicht, welchen Gedanken ich mich hingab.
Wir schwiegen und rührten uns nicht, so daß sich unser Freund vorwagte, um uns ein wenig aus der Nähe zu betrachten und sich über meine Schnürriemen herzumachen.
»Herrgott, Oli!« knurrte ich, während der Vogel mit einem angewiderten Schrei davonflatterte. »Ja, träume ich?«
Ich übernahm es, die Angelruten zusammenzubauen, während er das Fleisch grillte.
Am nächsten Morgen fuhr er los und kam erst Mittwoch abend zurück. Ich nutzte diese Tage der Einsamkeit, um mich von diesen Zusammenbrüchen überwältigen zu lassen, gegen die ich nichts tun konnte, ich stemmte mich mit aller Kraft dagegen, sobald sie nahten, oder verpaßte der Wand einige sinnlose Fausthiebe, deren Spuren ich noch eine ganze Weile trug. Ich hätte gern ein würdigeres Verhalten an den Tag gelegt, wenn es in meiner Macht gestanden hätte. Ich bemühte mich ständig, Vernunft anzunehmen, dieses erbärmliche Selbstmitleid auszukotzen, zu dem mich mein Schicksal inspirierte, wütend zerlegte ich diesen scheußlichen Mechanismus, aber kurz darauf erlag ich ihm von neuem, und alles ging wieder von vorne los. Ich ging schwimmen, wenn ich die Oberhand gewann, ich tauchte unter, um meinen Kopf zu entspannen, und mein Körper stieg wieder an die Oberfläche. Sähe man sich einen Film dieser vier Tage im Zeitraffer an, würde man über dieses absurde Hin und Her lächeln, über diesen Typen in der roten Badehose, der plötzlich zum Strand rast, wie ein Wilder das weite Meer sucht, im Wasser versinkt und wieder auftaucht, kehrtmacht, zum Haus hochklettert, sich einschließt und nach einer Weile wieder herausschießt, sich erneut auf den Weg zum Strand macht und so weiter und so fort, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang – nachts bleibt er drinnen, man sähe das Licht an seinem Fenster brennen, verlöschen und wieder angehen und erneut verlöschen, es blinkt wie eine hysterische Leuchtreklame –, und dann würde man feststellen, daß das Spiel langsamer wird, und man würde sich fragen: »Nanu, was treibt er denn jetzt?!«
Er schlug ein Buch auf und las. Er schrieb Ramona und seiner Mutter, wie er versprochen hatte. Er hörte Musik. Er hatte sich von Tag zu Tag besser in der Gewalt. Jeden Abend hatte er, verglichen mit dem Vormittag, Fortschritte gemacht. Die Augenblicke purer Trübsal, die ihn überkamen, rückten immer weiter auseinander. »Besser, man trägt sein Kreuz, als es hinter sich her zu schleifen«, versuchte er sich einzutrichtern. Die körperliche Bewegung, die er sich auferlegte – jedes Bad, das er im Meer nahm, war ein langer und kraftvoller Akt der Befreiung –, erschöpfte ihn, aber das war keine unangenehme Mattigkeit, eher eine andere Wahrnehmung seines Körpers. Auch sein Geist fand zu einer gewissen Klarheit, je mehr die Tage verstrichen, und ihm war, als könnte er sich bald wieder sehen lassen, wenn er auf diesem Weg fortfuhr. Natürlich war er noch nicht ganz auf dem Damm, aber am Mittwoch abend holte er Oli in Hyannis ab, und sie speisten im Restaurant, und er fing an, mit einem Typen an der Theke zu scherzen, während sie darauf warteten, daß ein Tisch frei wurde, und Oli sagte zu ihm: »Ich bin froh, weißt du das … Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.«
»Keine Bange, sie wird sich nicht nach mir erkundigen!«
»Na gut, ich wette das Gegenteil …«
Ich warf zähneknirschend meine Angel aus, und meine Schnur sauste mit einem scharfen Zischen gen Himmel.
»In dem Fall sag ihr, daß ich angele und nicht ans Telefon gehe. Sag ihr, mehr wüßtest du auch nicht …«
Heute würden wir nichts mehr fangen. Der Ozean war glatt und klar, die bluefish zuckelten bestimmt zweihundert Meter weit draußen durch das Wasser. Aber das Hantieren mit einer Angel war ein Vergnügen an sich, zweifellos eines der wenigen Dinge, denen ich mich hingeben konnte, ohne an etwas zu denken. Das und Knoten machen mit einem Stück Schnur.
Oli mußte bis zum Wochenende abreisen. Wir wollten uns
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