Pas de deux
spätestens einen Monat danach wiedersehen, wenn das Sinn-Fein-Ballett in New York gastierte, und er plante bereits, mich nach Kalifornien mitzuschleppen, wo die Truppe anschließend auftrat, und freute sich im voraus auf diese vierzehn Tage, die wir gemeinsam verbringen würden. Ich schaute ihn an, ohne einen Ton zu sagen. Er sah so glücklich aus, daß ich ihm nicht widersprechen wollte. Aber ich fragte mich, ob er sich einbildete, ich sei in Urlaub, ob er sich tatsächlich vorstellen konnte, wir beide säßen am Steuer eines Kabrios und fuhren über die Straße Nummer 1, lachend und singend und schier überschäumend vor Freude, auf der Welt zu sein, ohne Frauen, ohne Sorgen, nichts, das sich in unser Fleisch bohrte, und zu Tränen gerührt beim Anblick einer Zypresse, die in der Gegend von Big Sur an einem Felsen hing. Ich wußte, was er wollte. Wie oft hatte er mir nicht schon vorgeschlagen, sein Partner zu werden und mit ihm das Ballett zu leiten, nicht, weil er meine Dienste brauchte, sondern einzig und allein, um mit mir zusammenzusein … Ich war ihm bestimmt mehr zugetan, als er ahnte, aber Edith hatte mein Leben bis zum Rand ausgefüllt, ich hatte keine Lust gehabt, mich in der Welt herumzutreiben, wenn sie nicht dabei war. Hatte er neue Perspektiven erspäht? Ließ er sich zu vorschnellen Schlüssen verleiten, indem er sein Witwertum und meine Scheidung zusammenzählte?
Ich begann seine Abreise herbeizusehnen. Ich mußte vorerst allein sein, und seine – wenn auch vagen und zaghaften – Anspielungen auf eine Zukunft, in der wir anscheinend untrennbar waren, gingen mir allmählich auf die Nerven. Und was die Sache nicht besser machte: Ich war sauer auf mich, weil ich sauer auf ihn war. Ich kannte mich gut genug, um zu wissen, daß ich es fertiggebracht hätte, ihm in meinem Innersten Vorwürfe zu machen, wenn er nicht in diese Richtung gedacht hätte. Armer Oli! Ich wollte, daß du gehst, denn sonst bestand die Gefahr, daß ich dich zum Teufel schickte, und noch so eine Prüfung konnte ich weiß Gott nicht gebrauchen, genausowenig wie du meine saublöden Geschichten.
Unser nächster Nachbar war Richter Collins, und ein Stück weiter wohnte Hawthorne, der Leiter des Zollamts von Boston. Ich lief also nicht Gefahr, mich zu amüsieren. Auch nicht, gestört zu werden, denn Windy Gate, der Strand unterhalb des Hauses, war Privatbesitz, und weder der Richter noch der Zöllner verirrten sich jemals dorthin, sie säuberten den lieben langen Tag ihre Swimmingpools. Ich versprach Oli, sie von ihm zu grüßen, wenn ich mal Zeit hätte. Der Richter hatte eines Tages erfahren, daß ich ein Schüler von Nadia Boulanger gewesen war, und mir daraufhin seine beiden Töchter geschickt, und ich hatte sie ihm postwendend zurückgeschickt und ihm erklärt, ich sei in Urlaub und es sei mir ganz gleich, daß der Preis keine Rolle spiele. Oli gab mir zu verstehen, ich brauchte nur ein Wort zu sagen, wenn ich es wünschte: der alte Mann erkundigt sich regelmäßig nach mir. Ich sagte ihm, ich würde darüber nachdenken, aber im Augenblick, auch in Anbetracht des Lebens, das ich hier zu führen gedachte, sei das Geld meine geringste Sorge. Hinzu kam, daß, wenn ich mich recht erinnerte – und obwohl ich zur Zeit nicht das Gefühl hatte, in der Haut eines Satyrs zu stecken und der bloße Gedanke an einen weiblichen Körper für mich eher eine Heimsuchung mit allen Symptomen eines Katers war, die Töchter des Richters ziemlich häßlich waren, und mich neben sie zu setzen, schaffte ich nur, wenn ich zweimal hingeguckt hatte. Es ist schon wahr, daß man vorübergehend nicht nur den Verstand, sondern auch den Spaß an Frauen verlieren kann.
Man konnte an diesem Ort wie ein echter Wilder leben, wenn einem danach war, ohne irgendwem zu begegnen, höchstens ab und zu einem komischen Kauz, der sich verlaufen hatte und ob des unfreundlichen Empfangs schnell geneigt war, das Weite zu suchen, und daß man sich eins merkt, daß man es seinen Kumpeln weitersagt: Das war ein barscher Typ da, abweisender als eine Gefängnistür. Übrigens hatte ich die Sträucher rings um das Schild DEAD END gelichtet, und ich hatte es gewienert wie auch das PRIVATE PROPERTY und das NO TREPASSING, so daß sie fortan bei Tagesanbruch wie rötliche Lampions glänzten und nachts im Scheinwerferlicht des Unerwünschten urplötzlich auftauchten und den Weg in einen Pfad zur Hölle verwandelten. Ich hätte gern noch mehr in den Boden gerammt, wenn mir das Haus
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