Pas de deux
gehört hätte, ich hätte einen Schlagbaum aufgestellt und den Besitz eingezäunt, um mich von der Welt loszusagen oder zumindest einen gewissen Raum zu kontrollieren, mir einen Ort zu sichern – und ich war bereit, ihn so weit zu verkleinern wie nötig –, wo mir die Dinge nicht entglitten, wo sie mir nicht mehr durch die Finger zerrannen, bevor ich an der Reihe war. Was, genauer betrachtet, ziemlich kindisch war, aber was sind wir anderes als Kinder in unserem Verhältnis zur Welt? Ich wage kaum zu gestehen, daß ich eines Morgens Dünger unter den giftigen Sumach streute, der ringsum wuchs. Einsamkeit und Verankerung stand auf dem Programm. Und das war ein extremes Programm, geeignet, mich mit Leib und Seele eine ganze Weile zu versenken, und für meinen Geschmack ehrgeizig genug, das Nachher links liegenzulassen. »Ihr könnt die Vögel nicht daran hindern, über eure Köpfe zu fliegen, aber ihr könnt vermeiden, daß sie ihre Nester in euren Haaren bauen.« Gesagt, getan.
Mit Entschiedenheit – wenn auch nicht vergleichbar mit der Art, wie die Ansiedler die Wampanoag-Indianer aus diesem Land verjagt haben – schickte ich Oli nach Frankreich zurück. Ich spürte nämlich, daß er weich wurde – er sagte schon, auf einen Tag mehr oder weniger komme es nicht an – und Zeit zu gewinnen suchte, selbst dann noch, als er schon seine Koffer packte. Ich schnallte sie eigenhändig zu und trug sie zu dem Wagen, dann setzte ich ihm seinen Hut auf.
»Eine Zeitlang küßt man sich, dann sagt man sich Lebewohl«, erklärte ich ihm, nachdem ich ihn hinters Steuer verfrachtet hatte, und beugte mich zu dem Seitenfenster hinab. »Ich ruf dich in ein paar Tagen an. Oli, tu mir einen Gefallen. Verpaß dieses Scheißflugzeug nicht.« Ich lächelte ihn an.
Dann ging ich ins Haus zurück.
Ich vermute, dieser Typ beobachtete mich schon eine ganze Weile, als ich auf ihn aufmerksam wurde. Ich war dabei, die Treppe zu inspizieren, die zum Strand führte, ich hatte sie auf Herz und Nieren untersucht, hatte ihre Tragfähigkeit überprüft, indem ich mich an das Geländer klammerte, auf der Stelle sprang und wie toll auf ihr herumtrampelte, und mich so von ihrem erbärmlichen Zustand überzeugt. Ich war sogar darunter gekrochen, um ihren Unterbau in Augenschein zu nehmen, hatte den Pfählen, die das Ganze trugen, eins mit dem Taschenmesser verpaßt, und mehr als einmal war meine Klinge bis zum Heft eingedrungen. Ich war auf den Strand zurückgetreten und beratschlagte gerade mit mir selbst, umfaßte mit einem Blick die ganze Konstruktion, eine Hand an der Hüfte, die andere als Schirm gegen die untergehende Sonne, als ich den Kerl in den Gräsern erblickte, mindestens fünfzehn Meter von mir entfernt und seelenruhig grinsend auf einem Privatgrundstück.
Ich konnte nicht sehen, was er da trieb, denn er hatte sich niedergekauert, aber wenn es das war, was ich vermutete, dann gute Nacht, nicht zu fassen. Ich tat so, als hätte ich ihn nicht bemerkt, und trat ein paar Schritte zur Seite, um mir Gewißheit zu verschaffen. Entgegen meinen Befürchtungen hatte der Kerl die Hosen nicht runtergelassen, er hockte einfach auf seinen Fersen und versuchte auch nicht wirklich, sich zu verstecken, denn jetzt konnte ich ihn meinerseits beobachten. Ein ziemlich klobiger Typ in Bluejeans und kariertem Hemd, mit langen, im Nacken zusammengebunden Haaren, um die fünfzig, ein rundes Gesicht, ziegelrot verbrannt. Er war das erste menschliche Wesen, dem ich in der Gegend begegnete, wenn man die mit Transistorradio, Kühltasche und Bermudashorts ausgerüsteten Hornochsen, die ich sogleich zum Teufel jagte, nicht mitrechnete. Ich war ein wenig aus der Fassung.
»Das ist ’ne Arbeit von einem Monat!« rief er mir zu und richtete sich auf.
Ich hatte ihn nicht um seine Meinung gebeten.
»Wer sind Sie?« murmelte ich.
»Und du, wer bist du?« gab er mir zur Antwort.
(Auf englisch ist der Unterschied zwischen Siezen und Duzen nicht ganz eindeutig, wenn man es durch die Lupe betrachtet, aber meine Übersetzung ist durchaus richtig: sein »You« war anders als mein »You«.)
Ich ließ ihn näher treten, bevor ich ihn darauf hinwies, daß mein Bullterrier durch die Gegend streunte und daß ich hierhergekommen war, weil ich Aids hatte.
»Kennst du dich mit Treppen aus?« fragte er mich.
Er hatte sich vor mir aufgebaut. Er wog mindestens hundert Kilo, überragte mich um einen halben Kopf, und sein Schatten verschlang mich.
»Sie haben sich
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