Pas de deux
wenigen war ich einfach baff. Andere öffneten mir die Augen, und ich fand das Leben richtig amüsant.
Als ich von meinem Bein wieder Gebrauch machen konnte, nahm ich meinen Kram und ging raus, um einige Messungen an der Treppe vorzunehmen. Es war heiß, aber vom Meer wehte ein Lüftchen, das die Sache erträglich machte. Ich verlängerte mein Bleilot mit gut zehn Meter Schnur. Dann montierte ich es auf die Gardinenstange wie eine Leine auf einer Angelrute und fügte es so durch einen Ring, daß es sich verschieben ließ.
Arm + Stange = 2,85 m
Seite N° 1 = 9,50 m
Arm + halbe Stange = 1,65 m
Seite N° 2 = 3,80 m
Ergibt eine Höhe von:
9,50 + 3,80 = 13,30 m
Auf einer Tiefe von:
2,85 + 1,65 = 4,50 m
Ich brachte mehr als den halben Nachmittag damit zu, Pläne zu zeichnen, wobei ich mir immer wieder sagte, daß mich das zu nichts verpflichtete. Die Zeit verstrich sanft, angenehm langsam, und zum erstenmal ging mir Ediths Bild ganz ruhig durch den Sinn, ich dachte an sie, ohne das Gesicht zu verziehen oder zu seufzen, dann nahm ich meine Berechnungen wieder auf, als ob nichts wäre, in Schweigen gehüllt und noch ganz durchdrungen von ihrem Besuch.
Finn tauchte bei Sonnenuntergang wieder auf. Er schaute mir über die Schulter, sagte aber nichts. Als ich meine Papiere wegräumte, fragte er mich, ob ich gern Hummer äße. Wir stiegen in meinen Lieferwagen und fuhren zu dem Teich.
Sein Boot riß einen nicht vom Hocker, aber ich sah den nagelneuen, 150 PS starken V6, mit dem es ausgerüstet war. Der Himmel im Hintergrund rötete sich, und die Oberfläche des Teichs war wie Goldpapier, kilometerweit ausgerollt und auf einen Luftstrom gelegt. Finn quatschte eine Weile mit einem Typen, der Reusen reparierte. Ich stand zu weit weg, um zu verstehen, was sie sagten, aber das Murmeln ihrer Stimmen fügte sich in die Schönheit der Landschaft ein. Das andere Ufer, das uns vom Meer trennte, war nur zu erahnen, ein undeutliches Wogen des Lichts, sicher das Hin und Her der hohen Gräser, die auf den Dünen wuchsen und für einen Moment mit ihnen verschwammen. Der Boden des Boots war mit Fischschuppen ausgelegt. Als Finn den Motor anließ, sah ich Wildgänse vorbeifliegen, dann schaute ich Finn an, und dann schaute ich nach vorn.
Die Beschleunigung drückte mich in meinen Sitz. Wir rasten schnurgerade in einer Fontäne über den See. Bei dem Lärm des Motors und des Rumpfs, der auf die Wasserfläche klatschte, verstand ich so gut wie nichts von dem, was er mir erzählte, aber das machte mir nichts. Ich nickte und lächelte, aber mein ganzer Körper wurde in der Luft pulverisiert. Dann bremsten wir ab und fuhren am Ufer entlang.
Ich mußte mich vorbeugen und mir die blau gestrichenen Bojen (es waren seine) schnappen, danach kam er mir zu Hilfe, und wir hievten die Reusen an Bord. Wir schütteten die Tierchen auf den Boden des Bootes. Ständig war ein Batzen Krabben dabei, die hin und her flitzten und wieder über Bord geworfen werden mußten. Meine Aufgabe war, die Hummer der Größe nach zu sortieren, mit einer Art Schublehre den Abstand zwischen dem Auge und der ersten Kerbe des Panzers zu überprüfen, doch zuallererst mußten wir die Zangen unschädlich machen, ihnen stramme Gummiringe überziehen, und Finn zeigte mir, wie man das macht. Während ich ihnen nachlief, schnitt er einige Fische, die er aus einem Eimer nahm, in Stücke und stopfte sie in die Reusen.
Wir arbeiteten bis zur Abenddämmerung, wechselten kaum mehr als ein, zwei Worte, wofür ich ihm dankbar war. Er brachte noch zwei, drei Reusen aufs offene Wasser hinaus, dann rasten wir in der frischen Abendluft zurück.
Ich wunderte mich, als er mich darum bat, ihn am Straßenrand abzusetzen, denn ich hatte gedacht, wir würden zusammen essen. Er wollte mir zwei Hummer überlassen, aber ich lehnte ab.
»Nimm sie, ich geb sie dir gerne«, drängte er mich.
»Nein, danke.«
»Weißt du … Ich glaube, du bist ein komplizierter Typ.«
»Nicht mehr als jeder andere … Nein, es widerstrebt mir nur, sie zu kochen.«
»Aber du magst doch Hummer, oder?«
»Und ob, was denkst denn du.«
Er schlug die Tür zu. Ich dachte, er wolle gehen, aber dann ging alles sehr schnell, ich hörte ›Ritsch, Ratsch‹, gefolgt von einem gräßlichen Geräusch, dann reichte er mir die beiden durchtrennten Tierchen und steckte sein Messer wieder ein.
»Ich find das auch nicht gerade angenehm«, erklärte er mir.
»Hör mal, ich hab das Gefühl, du verstehst mein
Weitere Kostenlose Bücher