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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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ihr ein »einmal die Woche« oder wenigstens »zweimal im Monat« abzuringen, was meines Erachtens nicht die Welt gewesen wäre. Sie wollte nichts davon hören, sie drohte, unseren Stelldichein ein Ende zu setzen, wenn ich nicht vernünftig sei.
    Manchmal mußte ich ein fürchterliches Verlangen bezähmen, vor allem während der Klavierstunden, wenn wir allein waren und ich ihren Schenkel an meinem Bein spürte und sich unsere Hände berührten. Dann warf sie mir einen strengen Blick zu, und eines Tages sagte sie zu mir, sie sei verrückt gewesen. Ihr Zorn hatte mich gelähmt, und seitdem war ich auf der Hut, ich ließ mir meine Ungeduld nicht anmerken und wartete artig wie ein dressiertes Tier auf den 12. des Monats.
    Ich wußte nicht, ob jemand über uns im Bilde war, ich konnte mich da zu keinem Urteil durchringen. Ich hatte allerdings den Eindruck, daß mich meine Mutter dann und wann merkwürdig anschaute, und vielleicht ahnte auch Edith etwas, aber sicher konnte sie sich nicht sein, und schon gar nicht, daß es sich um Ramona handelte. Wir liefen auch nicht Gefahr, von ihr dabei ertappt zu werden, daß wir miteinander turtelten oder einander schöne Augen machten, denn seitdem sie mir ihre Gunst geschenkt hatte, zeigte sich Ramona zurückhaltender als vorher, sie mäßigte ihre Gefühlsausbrüche sowohl mir als auch den beiden anderen gegenüber und behauptete plötzlich, wir seien zu alt für solche Kinkerlitzchen. Und damit sprach sie uns aus dem Herzen.
    Gegen Ende des Sommers ging ich eine Weile mit Flo, aber nur der Form halber. Wir küßten uns einige Male, dann erkannte ich, daß ich bei ihr nicht viel erreichen würde. Ich mußte kämpfen, wenn ich meine Hand zwischen ihre Beine schieben wollte, die sie all meinen Bemühungen zum Trotz hartnäckig zusammenpreßte, und sie zappelte auf dem Rücksitz von Bobs Wagen und sagte nein, nein, nein. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten wir uns den ganzen Nachmittag küssen können, aber mit verschränkten Armen, das hätte sie toll gefunden. Ich blieb trotz allem mit ihr zusammen, denn ich wollte nicht das fünfte Rad am Wagen sein, wenn Bob Edith abholte und wir durch die Gegend fuhren.
    Ramona hatte mich beglückwünscht. Sie behauptete, Flo sei nicht nur hübsch und nett, sondern werde sicher auch eine vorzügliche Tänzerin. Und eine erstklassige Nervensäge, davon war ich überzeugt. Aber im Grunde war es mir egal. Ich tat nur so, als schmollte ich, wenn ich sie auf den Sitz zurückstieß und nach draußen auf die Straßen starrte und mich fragte, was für einen Tag wir hatten. Was sie mir verweigerte, holte ich mir woanders, und da waren zwei Arme fast zuwenig. Verglichen damit, mußte es sterbenslangweilig sein, es mit Flo zu machen. Die Mädchen meines Alters interessierten mich nicht mehr. Ich sah Edith und Bob. Und was sich vorne im Wagen tat, erschien mir auch nicht gerade ermutigend. Bob schaute mich zuweilen im Rückspiegel an, dann verdrehte er die Augen gen Himmel. Wenn seine Annäherungsversuche wieder einmal zurückgewiesen wurden, fluchte er mitunter vor sich hin und lief rot an. Ich nicht. Und ich erzählte Ramona, daß Flo nichts davon wissen wollte. Damit das klar war.
    Paris – Köln – Berlin – Warschau – Moskau – Leningrad. Flo und Bob sperrten Mund und Nase auf. Und Oli, der unsere amourösen Spritztouren nicht sonderlich schätzte und die beiden anderen für seine Zurücksetzung verantwortlich machte, trug besonders dick auf, damit sie vor Neid platzten. Wir saßen in meinem Zimmer und rauchten Zigaretten, und dabei erzählte er von Löwen und Sphinxen, vom Ehernen Reiter, von Peter dem Großen, von den vierhundert Brücken, dem Winterpalast, dem Gorki-Park. Er beeindruckte selbst mich. Es wurde dunkel. Unten waren nur Eric, Chantal und Karen. Die andern waren in der Stadt, und wir erwarteten sie zum Abendessen. Um sich ein wenig aufzuspielen, schnappte sich Bob Ediths Tagebuch und zog seine Nummer ab, indem er es mit ausgestrecktem Arm hin und her schwenkte. Ich sah, daß Edith blaß wurde. Im nächsten Augenblick hörten wir einen lauten Knall. Bob legte das Tagebuch zurück.
    »Scheiße! Was ist da los?!« stammelte er, während wir aus dem Zimmer und durch den Flur rannten.
    Wir kamen unten an wie eine Lawine von trockenen Holzstücken, die Treppe knarrte noch, als wir ins Wohnzimmer stürmten. Chantal und Karen waren vom Sofa aufgestanden und schienen wie vom Blitz getroffen, es fehlte nicht viel, und sie hätten sich

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