Pas de deux
spendierte Champagner. Und die Frauen puderten sich wieder ein, richteten ihre Haare und sorgten sich, daß ihre Kleider womöglich zerknittert waren.
Sie waren ein hübscher Schwarm von Mädchen. Selbst Alice hatte sich durch den Umgang mit ihnen entwickelt. Sie kultivierte zwar immer noch ihr intellektuelles Wesen und war auch in den drei Jahren nicht gerade eine Schönheit geworden, aber ihr Auftreten war anders, heiterer, gewählter, sie schminkte sich ein wenig und auch geschmackvoll, doch vor allem hatte sie auf ihre gräßliche Brille verzichtet, und das neue Gestell hatte ihr die Pforten Hollywoods geöffnet. Was nicht ganz stimmte, war ihr Hintern, aber Oli und ich zierten uns nicht, hinter ihr herzugehen. Wenn wir was fürs Auge haben wollten, hatten wir – in Anbetracht dessen, daß die Mädchen oft genug in Balletthosen durchs Haus liefen – wahrlich die Qual der Wahl. Wenn sie einmal nicht ihren Eltern oder weiß der Himmel wem schrieb, was einen Großteil ihrer Freizeit in Anspruch nahm und sie zu unserem Leidwesen an einen Stuhl fesselte, mußte man mal Chantal durchs Wohnzimmer gehen sehen, wie sie vor unseren perplexen Augen den schönsten Hintern spazieren trug, den man sich nur vorstellen konnte, man hätte Blumen vor ihm abgelegt. Wir waren jedoch nicht die einzigen, die dafür empfänglich waren. Alex schlief von Zeit zu Zeit mit ihr und hatte uns ohne Umschweife versichert, daß ihre weiblichen Reize einem Kunstwerk glichen. Niemand bezweifelte Alex’ zahllose Eroberungen. Er war zwar kein großartiger Tänzer, aber gewiß ein erstklassiger Liebhaber oder zumindest jemand, dem die Frauen nicht widerstehen konnten. Er hatte wundervolle schwarze Haare, er war dunkel und schön. Und alle Welt mochte ihn, denn er war lebhaft, mitreißend, sorglos und in einem Maße voller Charme, daß man ihn niemals ermüdend fand und es ihm gern nachsah, wenn er es ein wenig übertrieb. Wegen dieses leicht überschäumenden Temperaments wohnte er auch nicht mit uns unter einem Dach. Georges und meine Mutter waren sich einig, daß es rasch unerträglich würde, von morgens bis abends mit ihm zusammenzusein, und daß er kein prächtiges Vorbild für uns abgäbe. Natürlich waren wir da anderer Ansicht, vor allem Oli und ich, die gern enger zusammengerückt wären, um ihm Platz zu machen. Die Gespräche mit ihm waren sehr interessant, und er redete mit uns von Mann zu Mann. Daher wußten wir auch von gut der Hälfte der Mädchen des Balletts, was sie im Bett taugten. Chantal zum Beispiel sei nicht gerade ein Ausbund an Phantasie, und aus diesem Grund rate er uns von ihr ab. Und wir nickten verständnisinnig, gut, daß er uns das sagte, ja, den Typ kannten wir …
Kurz und gut, sie trugen an diesem Abend zwar keine Balletthosen, aber unser Einzug ins Restaurant vollzog sich dennoch nicht unbemerkt. Ich selbst achtete schon nicht mehr darauf, so sehr war ich daran gewöhnt. So weit meine Erinnerung zurückreichte, hatte ich stets Männer aufblicken sehen, wenn wir irgendwo einkehrten, und nicht etwa mich starrten sie wie Ölgötzen, wenn nicht gar mit einer schon unangenehmen Eindringlichkeit an, sondern meine Mutter und die Tänzerinnen des Balletts; und was mich früher stutzig gemacht hatte, als ich mich fragte, was diese Typen im Kopf hatten, war mir jetzt klar wie nur was. Und wenn ich inzwischen ihre Begierde nachempfinden konnte, wenn ich auch kapiert hatte, daß man es sich nicht verkneifen kann, einer hübschen Frau nachzuschielen, haßte ich doch die Art und Weise, wie sie das machten, und ich wußte auch, daß wir uns dem nicht entziehen konnten, aber ich hatte mich längst daran gewöhnt und achtete nicht einmal mehr darauf.
Das war das erste Mal, daß ich in einem Zug saß. Auch, daß ich dort Champagner trank. Die Gläser vibrierten ein wenig, aber wir rasten durch einen Schneesturm Richtung Berlin, und alles erschien irgendwie unwirklich. Wir hatten weit weg von unseren Eltern Platz genommen, an Alex’ Tisch und bei Chantal, die sich recht eng an ihn schmiegte. Aber Alex war nicht der Typ, der einen plötzlich nicht mehr kannte, der sich auf ein Techtelmechtel einließ, wenn jemand da war, mit dem er reden konnte. Und Oli und ich sperrten stets die Ohren auf, wenn er das Wort ergriff.
Wir hatten also einen Heidenspaß, kamen von Hölzchen auf Stöckchen, und jedesmal, wenn sie etwas interessant fand, machte sich Chantal Notizen in einem kleinen Heft, fragte uns, wie man dieses oder jenes
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