Pendergast 05 - Burn Case - Geruch des Teufels
mir gar nichts an.«
Fosco hatte sein Steak gegessen und stand auf. »Sie halten mich für einen bösen Menschen und alles, was ich getan habe, für abgefeimt. Aber denken Sie mal nüchtern nach. Ich habe die wertvollste, berühmteste Violine der Welt vor der Zerstörung bewahrt. Ich habe verhindert, dass die Chinesen den Raketenabwehrschirm der USA aushebeln können, und damit Millionen Amerikaner das Leben gerettet. Und worum ist die Welt dadurch ärmer geworden? Um einen Päderasten, einen Landesverräter, einen Produzenten seichter Unterhaltungsmusik und einen gottlosen Zyniker, der alle Werte, die anderen lieb und teuer sind, in den Schmutz gezogen hat.«
»Mein Leben und das von Sergeant D’Agosta haben Sie bereits in Ihre Kalkulation einbezogen, nicht wahr?«
Fosco nickte. »Sie sind bedauerlicherweise die unglücklichen Opferlämmer. Aber um ehrlich zu sein: Ich würde auch hundert Leute für dieses Instrument umbringen. Es gibt auf diesem Globus fünf Milliarden Menschen, aber nur eine Stormcloud.«
»Die kein einziges Menschenleben wert ist«, hörte D’Agosta sich grimmig murmeln.
Fosco drehte sich mit gerunzelter Stirn zu ihm um. »Ach nein?« Er klatschte in die Hände, Pinketts erschien an der Tür, und der Graf befahl ihm: »Bring mir die Violine.« Es dauerte nur Sekunden, bis der Diener einen altmodischen, an einen Sarg erinnernden Holzkoffer neben Fosco abstellte. Der Graf öffnete den Deckel, nahm den Bogen heraus, spannte ihn und bestrich ihn mit Harz. Schließlich griff er zur Violine und hob sie aus dem Kasten. In D’Agostas Augen sah sie nicht besonders aus, wie eine Violine eben, nur älter als alle, die er je gesehen hatte. Es war schwer zu glauben, dass sie der Grund für so viele Morde sein sollte.
Fosco legte sich das Instrument unters Kinn und stand Sekunden lang reglos, weltentrückt und mit halb geschlossenen Augen da, bis er schließlich den Bogen ansetzte und dem Instrument ein paar Takte aus dem Choral ›Jesus meine Zuversicht‹ entlockte. Die Melodie füllte den Raum mit Klängen von überirdischer Schönheit. Als das Spiel abbrach, hatten alle das Gefühl, die Welt sei ärmer und rings um sie kälter geworden.
»Verstehen Sie jetzt, dass die Stradivari nicht nur eine gewöhnliche Violine, sondern etwas Lebendiges ist, Sergeant?«, wies der Graf D’Agosta zurecht. »Soll ich Ihnen verraten, warum sie eine solche Klangfülle entfalten kann? Weil sie sterblich ist, Mr D’Agosta! Es ergeht ihr wie einem Vogel, dessen Herzschlag während des Fluges aussetzt. Das gemahnt uns daran, dass alles Schöne irgendwann sterben muss. Die am tiefsten anrührende Schönheit der Musik liegt in eben dieser Transzendenz und Vergänglichkeit. Sie scheint uns einen Moment lang ihren lebendigen Atem spüren zu lassen, bevor sie ihren Geist aushaucht. Und damit sind wir bei Stradivaris einmaligem Geniestreich: Er hat Sterbliches unsterblich gemacht.«
Er drehte sich zu Pendergast um. »Jede Art von Musik ist zum Sterben verurteilt. Aber das hier …« Er reckte die Violine hoch. »… das wird nie sterben. Sagen Sie mir, Mr Pendergast, ob es ein Unrecht war, diese Violine zu retten? Sprechen Sie es ruhig aus, wenn Sie meinen, dass ich ein Verbrechen begangen habe!«
Pendergast sagte nichts.
»Ich sage es Ihnen ins Gesicht«, mischte D’Agosta sich ungebeten ein. »Sie sind ein kaltblütiger Mörder.«
»Ja, natürlich«, murmelte Fosco, »irgendein Banause findet sich immer.« Er wischte vorsichtig mit einem weichen Tuch über die Violine, dann legte er sie weg. »So wunderschön sie auch ist, ihr Zustand hat ein wenig gelitten, sie muss mehr gespielt werden. Ich übe jeden Tag, anfangs waren es fünfzehn Minuten, mittlerweile bin ich bei einer halben Stunde angelangt. Man merkt der Violine schon an, dass sie sich erholt. In sechs Monaten ist sie wieder ganz die Alte. Ich werde sie an Renata Lichtenstein ausleihen, ich vermute, Sie kennen sie? Die erste Frau, die den Tschaikowsky-Wettbewerb gewonnen hat, und das mit gerade mal achtzehn Jahren. Ja, Renata wird sie spielen und Ehre und Anerkennung mit ihr erlangen. Und dann, wenn sie sie nicht mehr spielen kann, wird mein Erbe sie an einen anderen Künstler verleihen, und später dessen Erbe an einen anderen, und so wird es weitergehen für alle Zeit.«
»Haben Sie denn einen Erben?«, wollte Pendergast wissen. D’Agosta war überrascht, dass Pendergast diese Frage stellte. Fosco anscheinend nicht, ihm schien sie geradezu gelegen zu
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