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Perdido Street Station 02 - Der Weber

Perdido Street Station 02 - Der Weber

Titel: Perdido Street Station 02 - Der Weber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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näherte sich ihnen bis auf wenige Schritte.
    Isaac sah ihn schräg von hinten, beschienen von dem plötzlichen kalten Licht irgendeiner phlogistischen Lampe. Sein Gesicht war abgewendet, er schaute auf die Soldaten. Sein Umhang war schäbig und mehrfach geflickt. In seiner linken Hand sah Isaac eine kurzläufige Pistole. Die Soldaten, auf deren ausdrucklosen gläsernen Masken sich der Lichtschein spiegelte, schienen in eine momentane Starre zu verfallen, und etwas reckte sich aus dem rechten Ärmel des Fremden. Isaac kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, trotzdem konnte er nicht genau erkennen, was es war, bis der Umhang zurückfiel und das gezähnte – Ding sichtbar wurde.
    Eine mächtige Zange, oder eine Art Säge, die langsam auf- und zuklappte, wie ein Rasiermesser. Höckeriges Chitin, gebogene Drachenzähne.
    Der rechte Unterarm des Mannes war ausgetauscht worden, Remade, gegen die mörderische Extremität einer Fangschrecke, einer Gottesanbeterin.
    Isaac und Derkhan schnappten gleichzeitig nach Luft und riefen wie aus einem Mund: »Jack Gotteshand!«
    Gotteshand, der Renegat, der Reemade-Boss, trat auf die Soldaten zu.
    Sie fällten ihre Gewehre, stießen mit den Bajonetten nach ihm.
    Gotteshand wich ihnen mit tänzerischer Leichtfüßigkeit aus und ließ seinen Mantisarm vorschnellen, dann sprang er wieder zurück. Einer der Soldaten kippte zur Seite, Blut spritzte aus seinem halb durchtrennten Hals und stieg sprudelnd in seine Maske.
    Jack Gotteshand war schon wieder fort, tauchte auf, verschwand, tauchte auf, verschwand.
    Isaacs Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als ein Soldat sich auf das Dach der Gaube anderthalb Meter unter ihm stemmte. Er feuerte überhastet und fehlte, aber etwas fuhr schnalzend über ihn hinweg und traf mit großer Wucht den Helm des Mannes. Der Soldat taumelte und sank zurück in die Deckung, sammelte sich für einen zweiten Angriff. Yagharek rollte flink die Peitschenschnur auf und machte sich bereit, wieder zuzuschlagen.
    »Kommt schon, kommt schon, ihr verdammten Biester!«, brüllte Isaac zum Himmel hinauf.
    Die Luftschiffe waren inzwischen bedrohlich gewachsen, schwarz und massig steuerten sie im Sinkflug den Bahnhof an. Gotteshand umkreiste seine Angreifer tänzelnd, sprang vor, um seine furchtbare Waffe einzusetzen, und war dann wieder eins mit den Schatten. Derkhan machte sich mit Kriegsgeheul Mut, bei jedem Schuss, den sie abgab, stieß sie einen kurzen, trotzigen Schrei aus. Yagharek stand in kampfbereiter Haltung wartend da, Peitsche und Messer zitterten in seinen Händen. Die Milizzer rückten vor, aber langsam, ohne rechten Druck. Sie warteten auf Verstärkung, Entsatz.
    Der Monolog des Webers wurde allmählich lauter, steigerte sich von einem Wispern am Rand der Wahrnehmung zu einer Stimme, die durch Fleisch und Knochen zog und in Gehirnwindungen tröpfelte.
    … SIND ES SIND ES DIESE UNARTIGEN SCHÄDLINGE DIESE LÄSTIGEN PHANTASMAGORISCHEN VAMPIRE DIE WELTNETZ LEERBLUTEN SIE SIND ES SIE KOMMEN SIE GELÜSTEN NACH DIESEM ÜBERFLUSS DIESEM FÜLLHORNSCHWALL NAHRUNG DIE NICHT IST GEBT ACHT UND WISPERT WACHT REICHE KOST NICHT JEDEM FROMMT …
    Isaac riss mit einem lauten Ausruf den Kopf hoch. Er hörte Flügelschläge, das Brausen aufgewühlter Luft. Das Fanal, die Manifestation künstlicher Gehirnwellen, die das Mark in seinen Knochen elektrisierte, strahlte mit unverminderter Kraft in den Himmel, als ein Geräusch herantrieb, schrill, zwischen Materie und Æther oszillierend.
    Chitinpanzerung tauchte schillernd aus Thermiken, in düsteren Farben changierende Muster wallten durch den Himmel, auf zwei spiegelbildlichen Schwingen ohne feste Form.
    Ausgehungert, erwartungsfroh bebend, erschien der erste Falter zum Mahl.
     
    Der fantastische, vielgestaltige Körper senkte sich in Spiralen herab, glitt in engen Windungen um die Säule aus sengendem Æther wie bei einer Karussellfahrt. Die Zunge des Falters schleckte geschmäcklerisch daran entlang, kostete von der berauschenden Gedankenessenz.
    Isaac suchte mit grimmiger Freude den Himmel ab und sah einen zweiten Schemen herankommen, einen dritten, schwarz auf schwarz. Einer der Falter tauchte in einem scharfen Bogen dicht unter einem der plumpen Luftschiffe hindurch und stürzte sich dem schäumenden Strahl aus Gehirnwellen entgegen, der das Gewebe der Stadt in Schwingungen versetzte.
    Die Soldaten wählten diesen Moment für einen zweiten Vorstoß, und das schweflige Krachen von Derkhans Pistole machte Isaac

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