Perry Rhodan - Jupiter
Oberteil und eine ärmellose Weste. An der linken Wade steckte ein wuchtiges Desintegratormesser, um die Hüfte trug die Bürgermeisterin einen breiten Waffengurt. Links klebte der gleiche handliche Paralysator am Magnetholster, wie sie ihn Bull gegeben hatte, an der rechten Seite baumelte ein schwerer Kombilader. Im Gurt steckten Ersatzmagazine.
»Maskerade«, zischte Bhunz und blähte sich träge auf. Für einen Moment hatte Bull den Eindruck, als blinzelte ihm die Fhandour-Schlange zu.
»Den Eindruck habe ich keineswegs«, erwiderte er.
»Ich kann damit umgehen!«, sagte Sofaer heftig. »Fünf Jahre Ausbildung bei den Raumlandetruppen der Liga und zwei Jahre Umwelteinsatz auf einem urzeitlichen Planeten, davon vergisst man nicht einen Tag.«
Jupiter war angewachsen. Wie ein gigantisch aufgeblähter Ball hing der Planet über dem See und spiegelte sich im ruhigen Wasser. Beide Pole, den Eindruck hatte Reginald Bull, waren flacher geworden, die Äquatorregion wirkte bauchiger. Der Riese schien schneller zu rotieren, und falls dieser Eindruck wirklich zutraf, musste das der weiter anwachsenden Gravitation zuzuschreiben sein.
Bulls Blick suchte an dem gewaltigen Bauwerk des Syndikats nach räumlichen Anhaltspunkten. Ohne die Datenbrille, die eine Überblendung auf seine Netzhaut projizierte und ihm anhand der Planunterlagen die Lage und Tiefenausdehnung der SteDat-Zentrale zeigte, hätte er in dem Gewirr der Ebenen und spiegelnden Glassitfronten schwer den Überblick gefunden. Das alles schien für das menschliche Auge in einem verwirrenden Moiré-Effekt zu verschwimmen.
Er zog über die Blickkontrolle den SteDat-Komplex aus dem Gebäude heraus. Anschließend zerlegte er den Plan nach Etagen und prägte sich die Lage der Antigravschächte ein. Für die Absicherung der Zugänge standen Einsatzgruppen mit Schirmfeldprojektoren bereit.
Der Countdown lief in seinem Blickfeld unerbittlich mit. Noch drei Minuten.
Für jeden, der nahe davor stand, war der Gebäudekomplex schlicht unüberschaubar – ein bizarres Gebirge aus molekular verdichtetem Stahl und Glassit, das zwei Landzungen miteinander verband. »Der Weg vom Heute ins Morgen«, so hatte Kaci Sofaer es am Vortag umschrieben. Die nächsten Stunden würden erweisen, ob es ein Übermorgen noch geben konnte.
Zweitausend Meter hoch ragte jeder der beiden Seitentürme auf. Sie verjüngten sich in halber Höhe und strebten danach wieder auseinander. Ganz oben, mit bloßem Auge ohnehin nur winzig klein zu sehen und im Moment zum Teil hinter langsam treibenden Wolkenschleiern verborgen, erstreckte sich die atemberaubende Dachterrasse. Perry Rhodan hatte sich bei dem Anblick an Versailles erinnert gefühlt, daran erinnerte Bull sich noch.
Nichts war von den hundert Meter und höher gischtenden Wasserfontänen zu sehen, und die fünfzig großen Statuen wirkten aus der Tiefe wie Miniaturen.
Überhaupt, Bully fühlte sich winzig klein, fast bedeutungslos angesichts der vor seinen Augen verschwimmenden Fensterfronten. Unter dem überkragenden Ringwulst eines ENTDECKER-Kugelraumers wie der CHARLES DARWIN zu stehen und aufzuschauen degradierte den Beobachter schon zur Ameise. Hier erging es dem Aktivatorträger wie bei den noch größeren Schiffstypen: Er wurde zur Mikrobe.
Ein Dutzend winziger Punkte, immerhin normal große Schweber, näherte sich soeben der seitlichen Außenbalustrade, hinter der sich die Dachterrasse verbarg. Vier der Punkte fielen an der Fassade abwärts. Noch mehr Mikroben.
Sofaers Positronikspezialisten hatten das Isidor-Bondoc-Building vor wenigen Minuten durch den Haupteingang betreten. Die Aufgabe dieser Männer und Frauen war, den Zugang zu sichern und jegliche Datenübertragung aus dem Foyer zu unterbinden. Keinesfalls durfte der Angriff schon in den unteren Etagen hängen bleiben.
Reginald Bull hielt sich immer wieder vor Augen, dass dies keine Operation des TLD oder der USO war, und genau das bescherte ihm ein leichtes Magengrimmen. Andererseits hatte er mittlerweile den Eindruck, dass Sofaers Truppe den Spezialisten der großen Geheimdienste kaum nachstand. Er fragte sich längst, ob Ganymed all die Jahrhunderte hindurch und selbst in den letzten Jahrzehnten noch zu stiefmütterlich behandelt worden war. Ein Eismond im Schatten Jupiters, unbedeutend und unwirtlich, eine Welt für Aussteiger und Gestrandete – das war der Tenor gewesen.
Die letzten Sekunden ... Bull versuchte sich vorzustellen, wie es in der Lobby aussah. Die
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