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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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rutschenden Sattel. Ich trat mit meinem Stiefel zu, und der Sporn erwischte ihn im Gesicht. Er gab einen Grunzlaut von sich und stürzte zu Boden. Ich richtete mich im Sattel auf. Die anderen waren stehen geblieben und schwiegen, jetzt, wo ihr Anführer geschlagen war und im Gesicht blutete. Ich hielt an, voller Schuldgefühle und Bestürzung. Was tat ich hier? Warum kämpften wir alle einer gegen den anderen? Sie waren wie ich, wie die Menschen, die sich für die Worte eingesetzt hatten, die ich aus dem Matsch gerettet hatte. Ich sollte ihm helfen, mit ihnen reden! Das waren meine ungestümen Gedanken, bis der Schmied sich rührte und die Menge wütend zu murren begann. Ich hieb Patch die Absätze in die Flanken und ritt davon.

    Ich wartete im Heidekraut an einem Bach, bis Matthew mich eingeholt hatte. Er bestaunte meine Größe, meinen Bart, während ich nicht fassen konnte, dass er so klein und so, so …
    »Zusammengeschrumpft und hutzelig?«, schlug er vor. »Fürn Hellseher ist das nur gut fürs Geschäft. Je älter ich werde, desto mehr Leute glauben mir.«
    Ich lachte, berührte ihn, konnte es immer noch nicht fassen, dass er hier war, dass er nicht von einer Minute auf die andere verschwinden würde. In einem Moment sah ich ihn ehrfürchtig an, im nächsten ungläubig. Ich umarmte ihn freudig und erstaunt, denn er war meine Vergangenheit, all die Geschichten, die er mir erzählt hatte. Doch dann, als ich seine knochige Brust an meiner spürte, kroch meine Hand unter sein Hemd, dorthin, wo er den Gürtel mit dem Beutel aufbewahrte.
    Seit Eaton und ich zusammen aufgebrochen waren, hatte ich von diesem Moment geträumt. Genau wie damals vor dem flackernden Feuer auf dem Hof der Werft würde er den Beutel aus seinem Gürtel und den Anhänger aus dem Beutel holen. Ich fühlte nichts als Haut und Knochen. Ich deutete zurück auf das Dorf.
    »Hast du ihn dort gelassen?«
    Er sah mir so direkt ins Gesicht, wie er es mein Leben lang getan hat.
    »Ich habe ihn nicht, Tom.«
    »Du lügst! Wo ist er?«
    »Ich habe ihn nicht.«
    »Sag es mir!« Ich schüttelte ihn. Ich war wie ein Wahnsinniger. Er wich zurück, stolperte und wäre fast in den Bach gefallen, dann riss er sich das Hemd so heftig aus der Hose, dass der alte, mürbe Stoff riss. Seine Rippen ragten aus dem gräulichen, faltigen Fleisch hervor.
    »Ich sage dir, ich habe ihn nicht! Ich habe getan, was Kate mir gesagt hat, und habe das Ding weggeschafft, und das ist die Wahrheit!«

34. Kapitel
    Ich saß auf einem Stein am Bach, unfähig, mich zu rühren oder einen Gedanken zu fassen. An einem Teil des Himmels bildeten sich bereits wieder Regenwolken, die in die Heidelandschaft überzugehen schienen, im Westen dagegen war der Himmel weiß wie Milch. Die Pferde schlürften zufrieden am Bach. Als Matthew etwas Brot und Käse aus der Satteltasche nahm, zerrte der ständige Wind, der über die Heide strich, an den Haarbüscheln, die um seinen kahlen Scheitel wuchsen.
    »Er hat mir nicht gut getan, und er hätte auch dir nicht gut getan, Tom«, sagte er leise.
    Ich sagte nichts. All die Jahre hatte ich die Erinnerung an Matthew mit mir herumgetragen und versucht mir einzureden, ich würde ihn immer noch lieben, aber die Wahrheit war, dass ich es nicht tat. Ich liebte die Erinnerung daran, wie er Schiffe baute und mir Geschichten von fernen Ländern erzählte, wie er durch Zauberei Dinge geschehen lassen konnte und diesen Anhänger hervorgeholt hatte, den blitzenden sich neigenden Falken, der im Feuerschein zu fliegen schien, als Matthew mir die Zukunft vorhersagte. Doch jetzt wusste ich, dass er England nie verlassen hatte und die Geschichten von den Seeleuten am Hafen stammten. Er konnte auch nicht zaubern, außer dass er den Menschen weismachen konnte, seine Kräuter würden wirken. Und den Anhänger besaß er ebenfalls nicht mehr, wie er mir eben gesagt hatte.
    »Was ist los, Tom?«, fragte er zaghaft. »Bist du nicht froh, mich zu sehen?«
    »Doch, doch, natürlich«, sagte ich, diesem eigentümlichen Klumpen zum Trotz, der sich in meiner Kehle bildete. Dann: »Nein! Nein, ich freue mich nicht.«
    Ich packte das schimmelige Brot und schleuderte es in den Bach. Erstaunt blickte er ihm nach, als es hüpfend und wirbelnd davonschwamm, gegen einen Felsen stieß und schließlich verschwand. Noch erstaunter war er über den Sturzbach der Verbitterung, der aus mir herausbrach. Mir erging es nicht anders. Ich hatte nicht gewusst, dass sie all die Jahre in den tiefsten

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