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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Hand hinein und betastete die Münzen, die mir Mutter Chilton gegeben hatte. Zehn Silbermünzen – mehr als ich jemals in meinem Leben auf einem Haufen gesehen hatte. Fünfhundert Pennys! Ich hatte ein wenig Angst vor so viel Geld. Kurz bevor wir an der Trinkhalle angelangten, bückte ich mich und schob unter der Deckung meines Mantels neun der zehn Silberstücke in meinen Stiefel.
    Die Trinkhalle war halb Zelt, halb neu errichteter Holzverschlag. Ein Kohlebecken brannte hell in der Mitte und wärmte den Raum, nur die entlegensten Ecken nicht. Königin Caroline hatte den Erlass ihrer Mutter aufgehoben, dass Kaufleute die Stadt bei Nacht verlassen mussten, und die beiden langen Tische an jeder Seite des Kohlebeckens waren voll mit Leuten, die tranken und redeten und lachten. Maggie und ich nahmen einen der kleinen, kalten Ecktische. Während ich meinen Umhang und die Kapuze anbehielt, legte ich meine Silbermünze auf den Tisch, und die Schankmaid richtete ihren hungrigen Blick darauf, und nicht auf uns. Sie brachte zwei Bierkrüge, zwei Bronzemünzen und sieben Pennys.
    Maggie sagte mit leiser Stimme: » Woher hast du das Geld, Roger?«
    » Das ist meine Sache.«
    » Wohin glaubst du denn, dass Lady Cecilia gegangen ist?«
    » Ich weiß es nicht.«
    » Wie wirst du dann …«
    » Maggie, du bist sehr gut zu mir gewesen. Hast mit geholfen, mir zu essen gegeben, dich um mich gekümmert. Aber ich muss das alleine machen.«
    » Nein«, sagte sie einfach.
    » Wer bist du, dass du …«
    » Ich komme mit dir. Ich habe mich als Junge verkleidet, Roger, unter meinem Umhang; ich habe mir die Haare abgeschnitten. Ich komme mit dir.«
    Ein monströser Einfall nagte an mir. Von mir selbst entsetzt, fragte ich: » Maggie, spionierst du für die Königin?«
    Sie starrte mich an, ihr Gesicht eine fleckige, leuchtende Kugel. Aber sie griff mich nicht an. Sie sagte nur: » Ich habe dir schon gesagt, dass du dumm bist. Weißt du nicht, wie sehr ich die Königin hasse?«
    Das hatte ich nicht gewusst. » Weshalb?«
    » Weil Richard ein Blauer war, der für seine Treue und seinen Mut sterben musste.«
    Dann waren ihre ungewöhnlichen Tränen gar nicht für mich gewesen, sondern für ihren Bruder. Der Gedanke war mir willkommen. Ich sagte sanft: » Weißt du inzwischen sicher, dass Richard tot ist?«
    » Ja.« Maggie hatte sich nun wieder unter Kontrolle. » Ich habe es letztendlich erfahren. Aber es ist nicht der einzige Grund, weshalb ich die Königin hasse. Sie schläft mit dem Lord der Wilden, die so viele von uns im Königinnenreich getötet haben. Sie hat ihre eigene Mutter ermordet – jeder behauptet das. Und sie hat dich wie einen Hund behandelt – nein, schlechter als einen Hund. Wie ein Ding. Du hättest dort oben auf dem Turmdach sterben können. Sie ist ein Monster, und ich hasse sie. Und ich kann nicht bleiben und einem Monster dienen. Jetzt nicht mehr, da ich weiß, was sie wirklich ist. Königin Eleanor hatte recht, ihre Tochter taugt nicht zum Herrschen. Ich habe der falschen Königin gedient.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier, ihr Blick hatte etwas Gequältes.
    In diesem Augenblick fiel mir auf, was Maggie von den meisten Leuten unterschied, die ich je gekannt hatte: Sie konnte harte Wahrheiten beim Namen nennen. Nicht einmal Mutter Chilton mit ihrem elenden Ausweichen hatte das getan. Maggie war bevormundend, stur und aufdringlich, aber sie konnte die Wahrheit aussprechen. Wie die Witwe Conyers. Wie – vielleicht – Königin Caroline selbst.
    Ich machte noch einen Versuch. » Du hast doch eine Schwester irgendwo in einem Dorf – das hast du mir einmal erzählt. Du könntest zu ihr gehen.«
    » Ich habe dir auch erzählt, dass meine Schwester ein geiziges, knausriges Waschweib ist, die jeden nur anschreit, auch ihren Mann. Dort gehe ich nicht hin. Ich komme mit dir.«
    Ein unwillkommener Verdacht schlich sich in meine Gedanken. Ich war willens, alles für Cecilia zu riskieren. War Maggie also willens, alles für mich zu riskieren, weil … » Maggie«, würgte ich hervor, » bist du … bist du …« Ich brachte die Worte nicht über die Lippen: … in mich verliebt.
    Eine lange Stille legte sich über uns, zerbrechlich wie ein Spinnennetz.
    Maggie antwortete schließlich. In ihrer Stimme lag große Bedachtsamkeit. » Du bist mein Freund, Roger. Mein Bruder ist tot, meine Schwester ist ein Zankweib, und ich kann nicht mehr einer Königin dienen, die ich verabscheue. Wenn ich noch eine weitere Nacht im Palast

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