Pfade Ins Zwielicht
ihrer linken Hand herumzuspielen. Vielleicht hatte sie ihre Stimmung gespürt, vielleicht lag es auch nur daran, dass sich keine von ihnen auf eine weitere Sitzung mit den Windsucherinnen freute. Merililles Ausdruck änderte sich nicht, sie sah noch immer überrascht aus, aber ihre Sitzungen mit dem Meervolk dauerten auch den ganzen Tag und die Nacht dazu, wenn Elayne sie dort nicht wegholen konnte, und die Windsucherinnen waren immer weniger dazu bereit, sie gehen zu lassen, wie sehr Elayne auch darauf beharrte.
Immerhin schaffte sie es, die drei nicht unfreundlich zu behandeln. Was Mühe kostete, vor allem in Aviendhas Anwesenheit. Elayne wusste nicht, was sie tun würde, sollte sie jemals ihre Schwester verlieren. Vandene trauerte nicht nur um eine leibliche Schwester, sie suchte nach Adeleas Mördern, und es gab nicht den geringsten Zweifel, dass sie unter Merüille Ceandaevin, Careane Fransi oder Sareitha Tomares zu suchen waren. Eine von ihnen, oder, noch schlimmer, mehrere.
Bei Merüille in ihrem derzeitigen Zustand war diese Anschuldigung nur schwer zu glauben, aber das galt eigentlich für jede Schwester. Wie Birgitte einmal gesagt hatte, der schlimmste Schattenfreund, der ihr je in den Trolloc-Kriegen begegnet war, war ein milchbärtiger Junge gewesen, der bei lauten Geräuschen zusammenzuckte. Und der die Zisterne einer ganzen Stadt vergiftet hatte. Aviendha hatte vorgeschlagen, alle drei einer Befragung zu unterziehen, was Birgitte entsetzt hatte, aber die Aiel brachte den Aes Sedai mittlerweile bedeutend weniger Ehrfurcht als zuvor entgegen. Die angebrachten Höflichkeiten mussten beibehalten wer - den, bis es Beweise für eine Verurteilung gab. Dann würde es allerdings überhaupt keine Höflichkeiten mehr geben.
»Oh«, sagte Sareitha und strahlte plötzlich. »Da ist Hauptmann Mellar. Er ist während Eurer Abwesenheit schon wieder zum Helden geworden.«
Aviendha umklammerte den Griff ihres Gürtelmessers, und Birgitte versteifte sich. Careanes Gesicht nahm einen ausgesprochen frostigen Ausdruck an, und selbst Merilille brachte eine missbilligende Miene zustande. Keine der Schwestern machte einen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Doilan Mellar.
Mit seinem schma len Gesicht war er nicht hübsch, nicht einmal ansehnlich, aber er bewegte sich mit der geschmeidigen Anmut eines Schwertkämpfers, die von körperlicher Kraft kündete. Als Hauptmann von Elaynes Leibwache hatte er drei goldene Rangknoten vorzuweisen, und er trug sie auf jeder Schulter seines auf Hochglanz polierten Brustpanzers. Ein unwissender Beobachter hätte gedacht, dass er Birgitte im Rang übertraf. Die schneeweiße Spitze an seinem Hals und den Ärmeln war doppelt so dick und lang wie bei jeder Gardistin, aber er hatte auf die Schärpe verzichtet, möglicherweise weil sie auf einer Seite die goldenen Knoten verdeckt hätte. Er behauptete, nicht mehr im Leben zu wollen als ihre Leibwache zu befehligen, aber er sprach oft von Schlachten, an denen er als Söldner teilgenommen hatte. Anscheinend hatte er nie auf der Verliererseite gekämpft, und seine unbesungenen Bemühungen auf dem Feld hatten oft den entscheidenden Ausschlag für den Sieg gegeben. Er riss sich den Hut mit den weißen Federn vom Kopf und machte eine tiefe, schwungvolle Verbeugung, wobei er mit einer Hand geschickt sein Schwert festhielt, dann entrichtete er Birgitte einen etwas nüchterner ausfallenden Gruß, indem er den Arm quer über die Brust führte.
Elayne zwang sich zu einem Lächeln. »Sareitha sagte, Ihr seid wieder ein Held gewesen, Hauptmann Mellar? Wie das?«
»Das war nicht mehr als meine Pflicht der Königin gegenüber.« Obwohl er sich mit seinem Tonfall offensichtlich selbst herabwürdigte, war sein Lächeln wärmer, als es hätte sein sollen. Der halbe Palast hielt ihn für den Vater von Elaynes Kind. Dass sie das Gerücht nicht zum Verstummen gebracht hatte, schien in ihm den Glauben geweckt zu haben, dass er Chancen hatte. Das Lächeln erreichte allerdings nie seine dunklen Augen. Sie blieben so kalt wie der Tod. »Meine Pflicht Euch gegenüber ist meine Freude, meine Königin.«
»Hauptmann Mellar hat gestern ohne Befehl einen weiteren Ausfall angeführt«, sagte Birgitte mit sorgfältig beherrschter Stimme. »Diesmal hätte der Kampf beinahe auf das Far Madding-Tor übergegriffen, das auf seinen Befehl hin für seinen Rückzug offen gelassen wurde.« Elayne fühlte, wie sich ihre Züge verhärteten.
»Aber nein«, protestierte Sareitha. »So ist
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