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Phönix

Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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Wahrscheinlich hast du recht. Aber ich habe ja Loiosh und Rocza dabei.«
    »Trotzdem –«
    »Ja. Ich finde bestimmt einen Ort mit Leuten drumherum. Wahrscheinlich Dragaeranern, dann kann ich wieder anfangen, sie alle zu hassen und einzelne zu mögen. Aber im Augenblick will ich niemanden sehen.«
    »Das verstehe ich«, sagte sie.
    »Ich schulde dir sehr viel.«
    »Und ich dir mein Leben«, sagte sie.
    »Und ich dir meines, mehrere Male. Manchmal wünschte ich, ich könnte mich an dieses frühere Leben erinnern, damals, als alles begann.«
    »Sethra könnte das ermöglichen«, sagte Aliera.
    »Nicht jetzt.«
    »Womöglich würde es dir helfen, damit klarzukommen, wer du bist.«
    »Ich finde es selbst heraus.«
    »Ja. Das tust du ja immer.«
    Bevor ich fragen konnte, wie sie das meinte, gesellten sich Morrolan und Sethra zu uns. Ich sagte: »Das wird jetzt erstmal ein Abschied.«
    »Das dachte ich mir schon«, sagte Morrolan. »Ich wünsche dir alles Gute auf deinen Reisen. Ich werde für dich über deinen Großvater wachen.«
    »Danke.«
    Sethra sagte: »Ich denke, wir werden uns wiedersehen, in diesem Leben oder im nächsten.«
    »Dem nächsten«, sagte ich. »So oder so wird es ein anderes Leben sein.«
    »Ja«, sagte Sethra, »da hast du recht.«
    Ohne ein weiteres Wort ging ich.
     
     
    Zuletzt sprach ich mit meinem Großvater. »Du siehst gut aus«, fand er.
    »Danke.«
    Zum erstenmal in meinem erwachsenen Leben sah ich wie ein Ostländer aus, nicht wie ein Jhereg. Meinen Umhang hatte ich noch an, aber er war jetzt grün gefärbt. Ich trug offene Darrlederstiefel, eine grüne Hose und eine hellblaue Tunika.
    »Unter diesen Umständen ist es notwendig«, sagte ich.
    »Was sind das für Umstände, Vladimir?«
    Ich erklärte, was geschehen war, was ich deswegen unternahm und was ich glaubte, daß er tun sollte. Er schüttelte den Kopf. »Ein Regent zu sein, Vladimir, auch wenn es nur ein kleines Gebiet ist, ist eine Fähigkeit, die ich nicht habe.«
    »Noish-pa, du mußt nicht regieren. Du mußt gar nichts tun. Da gibt es ungefähr hundert Tecklafamilien, und die sind bisher ganz gut zurechtgekommen, ohne daß sie jemand regiert hat. Du mußt gar nichts verändern. Zu dem Titel gehört eine Apanage des Imperiums, von der du bequem leben kannst. Du mußt bloß zum Szurkesee gehen und dort im Herrschaftshaus wohnen oder im Schloß oder was da steht. Wenn die Bauern mit ihren Problemen zu dir kommen, kannst du ihnen bestimmt was vorschlagen, aber wahrscheinlich kommen sie gar nicht. Du kannst da weiterarbeiten, ohne daß dich jemand belästigt. Wo willst du denn sonst hin? Und es liegt gleich westlich von Pfefferfeld, das wiederum in den Bergen im Westen von Fenario liegt, also bist du in der Nähe deiner Heimat. Was könnte schöner sein?«
    Er runzelte die Stirn und nickte schließlich. »Aber was ist mit dir?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht. Ich renne jetzt um mein Leben. Wenn die Dinge sich ändern und ich denke, eine Rückkehr wäre sicher, dann komme ich wieder.«
    »Und deine Frau?«
    »Das ist vorbei«, sagte ich.
    »Wirklich?«
    Ich wollte ihm in die Augen sehen, konnte es aber nicht. »Im Moment, ja. Vielleicht später, vielleicht, nachdem Zeit verstrichen ist, aber nicht jetzt.«
    »Ich habe letzte Nacht den Sand geworfen, Vladimir. Zum erstenmal seit zwanzig Jahren habe ich den Sand geworfen und gefragt, was aus mir werden wird. Ich spürte die Macht, und ich las die Symbole, und sie besagten, ich würde so lange leben, daß ich einen Urenkel im Arm halten kann. Glaubst du, der Sand hat sich geirrt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich hoffe nicht. Aber wenn du deinen Urenkel sehen wirst, muß ich ja noch am Leben sein, um einen zu erzeugen.«
    Er nickte. »Sehr schön, Vladimir. Tu, was du tun mußt. Ich werde an diesen Ort ziehen und dort leben, dann weißt du, wo du mich findest, wenn du kannst.«
    »Wenn ich kann«, sagte ich. »Wenn ich kann.«

 
     
EPILOG
     
     
    Es gab einen Ort, an den ich mich gut erinnerte, der keinem anderen etwas bedeutete, mir jedoch sehr viel. Er war auf ewig in meine Gedanken eingraviert, von den vereinzelten Flecken aus hellblauem Sicherkraut zwischen dem hohen Gras bis hin zu der umgestürzten Eiche, die über der Lichtung thronte, wie um sie vor den Beutetieren am Himmel abzusichern; von den Dornen der wilden Weinweise bis zum gleichmäßig kleiner werdenden Mauerbusch, der von der nächsten Wasserstelle abgewandt wuchs. Obwohl ich kaum mehr als ein Kind war,

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