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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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erfolgreich auf eine Umlaufbahn zu bringen. Es stellte sich heraus, daß nicht die geringste Chance vorhanden war! Calder hatte aus den einzelnen Elementen mathematischer Gleichungen sozusagen ein präzises Ganzes gebaut, eine leibhaftige Exekutionsmaschine! Er hatte keinerlei Lücke gelassen, weder für mein Navigationstalent noch für die Fähigkeiten irgendeines anderen. Und wenn diese Fähigkeiten noch so außergewöhnlich gewesen wären, es gab nicht den winzigsten Spielraum für eine Rettung. Nichts sollte uns retten, weil uns nichts zu retten vermochte. Weder der Seitenschub der Sonde noch die heftigste Präzession, noch jener Todesflug waren Überraschungen für Calder, weil er eben diese Bedingungen von vornherein festgelegt und in langwierigen Berechnungen ausgeknobelt hatte. Der Befehl von mir, zum Saturn zurückzukehren, hätte genügt, und schon wären wir in den Strudel der Vernichtung hinabgerissen worden, der sich vor uns auftat. Ja, und dann hätte Calder sich möglicherweise auch noch zu einer Art »Insubordination« erkühnt, er hätte schüchtern an einem der folgenden Befehle, mit denen ich verzweifelt versucht hätte, die heftigen Umdrehungen des Schiffes abzufangen, Kritik geübt. Die Bänder hätten dieses letzte Zeichen seiner Loyalität registriert und bewiesen, daß er bis zum Schluß bemüht gewesen war, uns zu retten.
    Im übrigen wäre ich ohnehin nicht lange imstande gewesen, irgendwelche Anweisungen zu erteilen ... Ich wäre sehr bald unter dem Druck der Schwerkraft verstummt, die uns die Augen zugedrückt hätte. Wir hätten dagelegen, von der Gravitation zu Boden gepreßt, unsere Blutgefäße wären geplatzt ..., und dann hätte Calder als einziger aufstehen, die Plombe an den Sicherungen abreißen und den Rückflug antreten können, in einem Steuerraum, in dem es nur noch Leichen gab.
    Aber ich durchkreuzte – unwissentlich! – seine Pläne. So etwas hatte er nicht in Betracht gezogen, weil er sich zwar glänzend in der Himmelsmechanik auskannte, dafür aber mehr als ungenügend in der Mechanik der menschlichen Psyche. Als ich die großartige Gelegenheit nicht beim Schopfe packte, als ich, statt zur Wiederaufnahme der Operation zu drängen, schwieg, war er verloren. Er wußte nicht, was er machen sollte. Zuerst wunderte er sich wahrscheinlich nur, schrieb aber die Verzögerungen dem trägen, langweiligen Denkmechanismus des Menschen zu. Dann wurde er unruhig, aber er wagte nicht mehr, mich zu fragen, was er tun solle, weil ihm mein Schweigen schon irgendwie bedeutsam vorkam. Da er selbst nicht imstande gewesen wäre, in Passivität zu verharren, konnte er nicht annehmen, daß ein anderer, nämlich sein Kommandant, dazu fähig war. Wenn ich schon schwieg, dann mußte ich auch wissen, warum. Also mußte ich Verdacht geschöpft haben. Vielleicht war ich ihm sogar auf die Schliche gekommen, vielleicht war ich wirklich der Überlegene ... Wenn ich keine Befehle erteilte, wenn meine Stimme, die das Raumschiff in die Katastrophe jagte, nicht auf den Bändern zu hören sein würde, so bedeutete das für ihn, daß ich sein Spiel durchschaut und ihn überlistet hatte. Wann ihm dieser Gedanke kam, weiß ich nicht. Seine Unsicherheit bemerkten aber alle, auch Quine erwähnte sie in seinen Aussagen ... Calder erteilte ihm irgendwelche Aufträge, die ziemlich sinnlos waren ... Er kehrte ganz plötzlich um ... All das bewies seine Verwirrung. Er mußte improvisieren, und genau das war seine schwache Seite. Er fürchtete, daß ich etwas sagen könnte: Womöglich war ich sogar entschlossen, ihn vor den mithörenden Bändern der Sabotage anzuklagen! Da gab er plötzlich großen Schub. In letzter Sekunde rief ich ihm noch zu, er solle nicht die Teilung passieren, denn ich hatte immer noch nicht begriffen, daß er das überhaupt nicht beabsichtigte. Aber dieser Schrei, diese Spur, die nun registriert war, machte auch seinen neuen, nunmehr improvisierten Plan zunichte. Er verringerte sofort die Geschwindigkeit. Wenn die Bänder auf der Erde meinen Schrei wiederholten und nichts weiter, wäre das nicht sein Verderben gewesen? Wie eigentlich hätte er sich rechtfertigen sollen, wie sollte er später das lange Schweigen des Kommandanten und dann, als letztes Zeichen, den plötzlichen Schrei erklären? Ich mußte also danach noch einmal zu hören sein, wenigstens als Beweis, daß ich noch am Leben war ..., denn aus meinem Ruf folgerte er, daß er sich geirrt hatte und daß ich doch nicht alles wußte.

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