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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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am Montag zurück, Nora kann noch in Berlin bleiben. Hoffentlich verschwindet sie nicht, bevor du ankommst.«
    »Glaube ich kaum. Die Regel in diesem Spiel lautet: Man verschwindet erst, wenn man Manetti zwei Mal gelesen und den Band 11 mitgenommen hat. Marcel Lüthi ist die Ausnahme. Darum möchten wir wissen, was mit ihm los ist.«
    »Genau. Wohin kann man von Berlin aus ein paar Tage verreisen?«
    »Ostsee. Mecklenburg-Vorpommern – sehr hübsch zu dieser Jahreszeit. Oder nach Polen?«
    Christian nickte. »Rita wollte immer schon nach Polen. Aber wir haben es nie geschafft, wegen dem Haus in Caseneuve. Das muss man ja ausnützen.« Er bewegte sich in die Küche und kam mit zwei Bieren zurück.
    Wir stießen mit den Flaschen an.
    »Diese Wohnung ist ein Saustall«, sagte er, sich verblüfft umschauend.
    Die Erwähnung eines »Griechen um die Ecke« erinnerte mich daran, dass ich hungrig war.
    »In einer halben Stunde kommt Bernard, mein Sohn«, informierte mich Christian.
    Er war schon wieder am Computer.
    »Nun haben wir definitiv eine heiße Spur«, kam er triumphierend zurück, »diese Cora, Elsas Assistentin, hat gerade Margrit Limacher auf Grund des Fotos im
Magazin
erkannt!«
    »Die Frage ist also: Was spielt Elsa für ein Spiel? Und wo hat sie sonst noch Wohnungen?«
    »Ich tippe auf irgendetwas auf dem Land, auf ein altes Schloss in Mecklenburg. Die konnte man nach der Wende billig kaufen.«
    »Wie wär’s mit einem Ökodorf?«
    »Nein, nein, das passt nicht zu Elsa. Sie ist Multimillionärin. Ich sehe sie in einem Schloss, mit einer großen Sammlung moderner Kunst. Ich muss noch fragen, was sie offiziell in Berlin macht.«
    Bernard kam mit dem Velo. Er war ein schlaksiger, langhaariger Mann mit einem munteren Gesicht. Wir bestellten uns einige Pizzas und besprachen nochmals die nächsten Schritte.
    Ich fragte Bernard, warum er Wirtschaft studiert hatte.
    »Ich will wissen, wie es funktioniert.«
    Dagegen konnte man nichts einwenden. Es war dunkel, als ich nach Hause ging.

12.
    Ich stürzte mich sofort auf meinen Manetti und zog den Band 11 heraus. Ich strich über den Kunstledereinband, starrte auf die in Gold gestanzte Zahl 11 und öffnete das Buch.
    Manetti hatte sich gerade ein Mobilfon gekauft. Es lag schwer und rund in seiner Hand wie ein Faustkeil. Oben ragte eine kleine Stummelantenne heraus.
    Dann kommt er auf Robert Walser zu sprechen. Warum hat er seine Mikrogramme verfasst? Warum lesen wir so gerne Robert Walser? Warum jetzt? Markus Werner veröffentlicht
Festland
. »Allein das Zögern ist human.« Muschg liebt das Fragen, Werner das Zögern, Bichsel das Erzählen. Wir sind mitten in etwas drin, wissen aber nicht, in was. Inzwischen wächst die Schweizerische Volkspartei wie ein Geschwür. Je mehr man sie entlarvt, desto stärker wird sie. Sie verwandelt sich wie HI-Viren. Die Aufklärung scheitert grandios, Muschg sieht ein neues dunkles Zeitalter heraufziehen. Aber so richtig dunkel wird es nicht.
    Es ist eher die Zeit der Ablenkungen. Manetti macht eine Weltreise, berichtet aus Hongkong, der Südsee und Rio. Dann wieder Zürich. Der edle Estermann, die zähe Frau Koch. Private/public partnership. Everything goes. Die Partyszene explodiert. Und immer wieder: das Mobilfon. Oder
cellphone
: Jeder ist in seiner Zelle, zugleich Autist und mit der Welt verbunden. Was ist eine Stadt? Wo trifft man sich? Bichsel: Nirgendwo, die Stadt ist am Ende. Die Beizen sterben. Die Demokratie sowieso. Samir macht eine Video-Installation mit Pipilotti Rist. Die Taliban siegen in Afghanistan, Clinton wird wiedergewählt. Greenpeace stellt das 3-Liter-Auto vor.
    Die Aufklärung – kann Denken so schlimm sein? Ist es eine Anmaßung? Müssen wir uns dumm stellen, damit die Freiheit eine Chance hat? Der Hochmut der Intellektuellen – wissen sie überhaupt etwas davon? Wozu sollen sie hochmütig sein, bei der schlechten Bezahlung? Sind sie nicht eher verzweifelt? Peter Bodenmann ist Präsident der SP-Schweiz, unser kleiner Clinton. Dann geht er.
    Die Gastronomie. Wir lagern Weine ein für die Pensionierung.
    Manetti kommt dann auf das Stichwort der neunziger Jahre: Burnout. Überforderung, Erschöpfung, verheizt am Arbeitsplatz. Computer überall, ohne Mobilfon gehört man nicht mehr dazu. Man muss immer erreichbar sein. Arbeitsteams werden regelmäßig zerrissen. Benchmarks müssen erreicht werden, es wird evaluiert, ausgewertet, optimiert. Es werden Mitarbeitergespräche geführt. A, B, C, D. Depression wird

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