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P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben

Titel: P.M. Manetti lesen oder Vom Guten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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war nötig. Er würde kommen. Ich ärgerte mich über meine bösen Gedanken am Nachmittag.
    Dann fragte mich Gerda: »Und du besuchst alte Freunde in New York?«
    »Ja, sie heißt Elsa Manetti, vielleicht kennst du sie?«
    Ohne mit der Wimper zu zucken erwiderte Gerda: »Nie gehört, aber ich habe auch eine Freundin in New York, diedu kontaktieren kannst. Wie du interessiert sie sich sehr für Kunst, vor allem für Hodler.«
    Sie schrieb eine Adresse und eine Telefonnummer auf einen Fetzen Papier.
    Es war eine Adresse in der New Yorker Upper East Side. (Ich will nicht, dass Sie jetzt wieder zu googeln beginnen!) Offenbar hatte Gerda eingesehen, dass ich sowieso nicht locker lassen würde und den Prozess beschleunigt.
    »Hodler? Ist das der mit den Bergen und den Wolken?«, fragte Sally.
    »Genau der«, sagte ich.

26.
    Der September kann in New York ziemlich schwül sein. Da ich einen günstigen Stand-By-Platz in David und Sallys Flugzeug bekommen hatte, konnte ich schon um zwölf abfliegen und saß am Nachmittag auf einer Bank unter einem kühlen Baum im Central Park. Sally und David hatten sich gleich am Flughafen von mir verabschiedet und versprochen, sich in ein paar Tagen zu melden.
    Die große Neuigkeit des Tages waren weitere Indiskretionen von Wikileaks. Es fand momentan so viel Geschichte statt, dass niemand mehr Zeit und Kapazitäten hatte, ihrer Dokumentation zu folgen. Ob es nun 100000 oder 400000 echte Dokumente aus Afghanistan waren, spielte dabei keine Rolle mehr. Das ganze Leben war nichts als ein einziges Leck. Fiktion war praktisch nicht mehr möglich, weil man alle Daten überprüfen konnte. Meine Freunde von der Polizei konnten meinen Flug nach New York heraussuchen, auch das Hotel finden, das ich beim Immigration Officer angegeben hatte (und wo ich natürlich nicht abgestiegen war). Aber damit war vorläufig Schluss. Ich war irgendwo in New York, ihre amerikanischen Kollegen würden nicht so leicht zu mobilisieren sein. Eventuell hatten sie noch nicht einmal meinen Abstecher nach Berlin bemerkt. Sie konnten Christian anrufen, aber der wusste offiziell nicht, wo ich war.
    Ich sah den Tauben und Joggern zu, entdeckte ein graues Eichhörnchen. Ich war so verschwunden, wie man zu dieser Zeit nur sein konnte. Ich fiel überhaupt nicht auf.
    Ich genoss diesen Moment der Meditation und der ungestörten Präsenz, während rundherum New York brummte. Es war etwas schwül, aber dort im Park durchaus erträglich. Es half, dass ich an einem Stand am Parkrand eine kühle Coca-Cola gekauft hatte. Neben mir lag die
New York Times
, ungelesen, denn ich war noch nicht bereit für die neuste Dokumentationswelle.
    Ich wusste noch nicht einmal, ob es die Adresse überhaupt gab. Das konnte genauso gut eine Baulücke sein. Gerda konnte mich hereingelegt haben. Aber wozu eigentlich?
    Ich spazierte zuerst an dem unauffälligen Brownstone-Gebäude vorbei, nahm dann bei der Lexington Avenue die nächste Straße und lief um den Block herum. Niemand schien mir zu folgen. Es war eine freundliche Wohngegend mit kleinen Restaurants, Bio-Läden und Bars.
The Pastrami Queen. Shakespeare & Co. Feinstein’s Knishes
.
    Beim zweiten Rundgang läutete ich bei 3A. Die Tür summte und öffnete sich.
    Das Haus war in einem guten Zustand, sauber. Es roch gut. Ich entdeckte einen Lift, zog aber aus Sicherheitsgründen die Treppe vor.
    Im dritten Stock empfing mich eine elegante Frau um die sechzig. Sie hatte schulterlanges, grau meliertes Haar, trug ein grünliches Sommerkleid, Sandalen. Ihr Gesicht war schmal, der Mund klein, die Augen groß und braun. Ihre Stirn war hoch und leicht gerunzelt. Sie trug ein dezentes Make-up.
    Sie lächelte. »Elsa. Willkommen, bitte treten Sie ein.«
    »Paul«, sagte ich.
    »Ja, klar: Paul. Paul Meier. Elsa.«
    Sie kicherte kopfschüttelnd.
    Die Wohnung war ebenso elegant wie Elsa, gar nicht protzig, sogar ein bisschen unaufgeräumt. Bewohnt.
    »Ich benütze hier die Wohnung einer Freundin«, erklärte sie.
    Sie führte mich in das Wohnzimmer, wo sie mich aufforderte, auf einem roten Ledersofa Platz zu nehmen. »Tee? Oder ein Bier?«
    »Lieber Tee.«
    Ich schaute mich um: Da hingen einige Bilder, aber nicht allzu viele. Kein Hodler dabei. Büchergestelle waren mit Belletristik und Kunstbänden gefüllt. Auf dem Salontisch lag das neuste Buch von Franzen,
Freedom
, über das ich im
Guardian
begeisterte Rezensionen gelesen hatte. Es ging da um eine amerikanische Familiengeschichte – aber warum andere

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