Portland Head Light
sagen können, woher er das wusste. War es Camerons Lächeln? Seine Augen? Die Gesten? Ihre ineinander verschlungenen Finger, die Dominic im nächsten Moment bemerkte, was dafür sorgte, dass er erstmal völlig verdattert darauf starrte, bis ihm auffiel, dass er das mochte. Es hatte definitiv etwas, Camerons Hand zu halten.
„Danke.“
Dominic blinzelte irritiert und sah zu Cameron, der ihn lächelnd anschaute. „Danke? Wofür denn?“
„Dass du mich hierher mitgenommen hast.“
Wie bitte? Worauf wollte Cameron hinaus? „Cam, ich verstehe nur Bahnhof.“
Cameron grinste kurz und sah danach an ihm vorbei. „Dein Bruder und deine Eltern sind richtig toll. Genau so eine Familie habe ich mir immer gewünscht. Eine Familie, der es egal ist, dass ich mich für Männer interessiere. Die mich lieben, so wie ich bin, und mir keine Vorwürfe machen, weil ich ja nicht 'normal sein könne', wie meine Mutter es damals zu mir gesagt hat, bevor sie und mein Vater mich rausgeworfen haben.“
Dominic lief eine Gänsehaut über den Rücken, bei der Vorstellung eines sechzehnjährigen Cameron, der mit dem unschuldigen Aussehen plötzlich allein auf der Straße gestanden hatte. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte und so zog er Cameron einfach ganz nah an sich. Der runzelte zwar verdutzt die Stirn, ließ sich aber von ihm in die Arme nehmen.
„Das ist nicht nahe genug“, murmelte Dominic mehr zu sich selbst und musste grinsen, als Cameron daraufhin trocken erklärte,
„Wenn ich noch näher an dich heranrücke, verhaftet man uns wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.“
„Denkst du?“, fragte er neckend und lachte leise, als Cameron im nächsten Moment die Augen verdrehte. „Schade, dabei will ich dich doch so gern küssen und dir zuflüstern, dass dich bei uns niemals jemand aus dem Haus werfen wird, weil du Männer liebst.“
„Versprichst du mir das?“, fragte Cameron leise und schien dabei irgendwie seine Lippen anzustarren, was Dominic einen Schauer über den Rücken jagte.
„Ich verspreche es“, antwortete er und beugte sich langsam vor, um Cameron zu küssen, als in ihrer Nähe auf einmal ein Auto hupte. Sie zuckten erschrocken zusammen und Dominic schaute sich nach dem Störenfried um. Direkt gegenüber vor einer Bar diskutierten einige Männer und irgendwie sah die Truppe nach Streit aus. Dominic löste sich von Cameron und griff nach dessen Hand. „Lass uns gehen.“
Cameron war seinem Blick gefolgt. „Die sehen nach Ärger aus.“
„Eben deswegen will ich lieber gehen“, erklärte Dominic und als Cameron mit einem Nicken sein Einverständnis gab, machten sie sich auf den Heimweg. Zurück in das Zuhause seiner Kindheit. Zu seiner Familie. Zu jenen Menschen, die ihm alles bedeuteten und zu denen sein Cameron ab sofort ebenfalls gehörte.
- 10. Kapitel -
Mein lieber Sohn,
heute ist irgendwie alles seltsam. Der Tag ist düster, genau wie meine Laune. Es passt alles zum Wetter. Grau in grau. Ich will den Nebel nicht sehen, der sich durch alle Ritzen zieht. Draußen steht er dicht über der Erde und hier drinnen wabert er über den Boden, wie in diesem alten Horrorfilm, den ich mal sah. Nebel des Grauens heißt er. Kennst du den Film? Bestimmt. Du bist jetzt achtzehn und hast mit Sicherheit schon vor Jahren den einen oder anderen Film gesehen, der gar nicht für dein Alter bestimmt war.
Achtzehn. Mein kleiner Junge ist ab heute erwachsen. Zwar noch nicht erwachsen genug, um auch ganz offiziell feiern zu gehen oder Alkohol zu kaufen, aber du bist erwachsen. Und ich würde dich kaum erkennen, wenn ich dich sähe. Aber wie sollte ich auch? Du warst ja noch fast ein Baby, als sie dich mir wegnahmen. Gerade mal zwei Jahre alt und so unschuldig. Jetzt bist du groß und ich weiß nicht genau, wie ich damit anfangen soll, mein Versprechen zu halten, in dem ich dir erzähle, was damals geschah. Ich weiß ebenfalls nicht, wie viel ich dir in den letzten Briefen bereits erzählt habe, mein Gedächtnis spielt mir wieder und wieder abstruse Streiche und ich träume von Dingen, die so nie waren und auch nie sein werden. Aber ich habe dir mein Wort gegeben und ich werde es halten, denn jetzt bist du groß und hast ein Recht, die Wahrheit zu erfahren.
Es gibt viele Details, die ich nicht mehr zuordnen kann, wie das Messer auf dem Boden und all das Blut. Ich weiß, dass ich dafür zu verantworten bin, ich weiß auch, dass es das Blut deines Dads war, aber ich weiß nicht mehr, was genau geschah. Ich
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