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Prinz Rajin - Der Verdammte

Prinz Rajin - Der Verdammte

Titel: Prinz Rajin - Der Verdammte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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hervor.
    Was sollte er nur tun ohne den Rat des Weisen? Wenn je ein Drachenkaiser den Rat Liishos geraucht hatte, dann war es zweifellos Rajin! Der Prinz schüttelte stumm den Kopf, während er in das unvorstellbar alt gewordene Gesicht seines Mentors blickte. Mochten sie auch in letzter Zeit bisweilen verschiedener Meinung gewesen sein und sich Rajin mitunter daran gestört haben, mit welch kompromissloser, ja, kaltherziger Rücksichtslosigkeit Liisho Ziele, die er meinte, für richtig erkannt zu haben, mitunter verfolgte, so war sich der Prinz doch der Tatsache bewusst, dass es kaum möglich sein würde, den Drachenthron ohne Liishos Hilfe zurückzuerobern.
    „Die Drachen … Halte die Drachen in deiner Gewalt … Alles andere ist unwichtig …!“, hörte Rajin die Gedankenstimme des Weisen. „Du wirst es schaffen, Rajin! Ohne mich und mit mir. Das ist nicht entscheidend …“
    „Nein!“, schrie Rajin.
    Aber er musste erkennen, dass er einen Toten anrief.
     
     
    Rajin rief zwei Fußsoldaten herbei. „Bringt den weisen Meister fort von hier, damit sich ein Arzt um ihn kümmern kann!“, herrschte er sie an.
    Die beiden Fußsoldaten sahen sich verwundert an.
    „Da hilft kein Arzt mehr, Herr“, sagte der Größere der beiden.
    „Tut trotzdem, was ich sage!“, befahl Rajin.
    Sie gehorchten. Inzwischen wurde im Burginnenhof kaum noch gekämpft. Nur hier und dort wehrte sich noch einzelner Dreiarmiger.
    Rajin hatte Tränen des Zorns in den Augen. Ganz gleich, welche Mächte auch immer das Schicksal der Welt bestimmten, ob nun der Meeresgott Njordir und seine wilden Göttergesellen, an deren Wirken die Seemannen glaubten, oder der Unsichtbare Gott, dessen Existenz Tajimäer und Drachenier für eine unumstößliche Tatsache hielten – irgendetwas musste der Prinz getan haben, um diese Mächte gegen sich aufzubringen. Wie sonst war es zu erklären, dass er mit solch furchtbaren Verlusten gestraft wurde! Winterborg, den Ort, in dem er aufgewachsen war, hatten die Drachenreiter des Usurpators Katagi dem Erdboden gleichgemacht und dabei seine Ziehvater Wulfgar Wulfgarsson und so gut wie alle Bewohner getötet. Und seine Geliebte Nya und ihr ungeborenes Kind waren zuerst gefangenen genommen und dann verzaubert worden, um als Lockvogel für ihn zu dienen; nun waren beide weiter von ihm entfernt, als man sich überhaupt vorstellen konnte. Sein getreuer Freund Bratlor Sternenseher war beim Kampf um die Zitadelle von Krena ums Leben gekommen, sein Leichnam lag aufgebahrt in dem Kellergewölbe unterhalb von Sukara. Nichts, was ihm lieb und teuer gewesen war, war ihm geblieben. In manchen Augenblicken nicht einmal die Gewissheit, dass er mit dem, was er tat, tatsächlich seiner wahren Bestimmung folgte.
    Und nun, so schien es, hatte ihn auch noch Liisho verlassen. Ausgelaugt und bar jeden auch noch so winzigen Quantums an innerer Kraft war er seiner Schwäche erlegen. Einer Schwäche, die gewöhnlich Menschen dahinsiechen ließ, die nicht einmal ein Drittel von Liishos Jahren zählten.
    „Ich habe nie behauptet, unsterblich zu sein …“, hörte Rajin noch einmal die Gedankenstimme seines Mentors – diesmal so entsetzlich schwach und verhalten, dass es dem Prinzen unwillkürlich einen Stich versetzte. Liisho setzte noch hinzu: „Bedenke, dass du ebenfalls nicht unsterblich bist …“
    Die beiden Fußsoldaten packten Liisho an Armen und Beinen und trugen ihn davon. Rajin hörte noch immer die Stimme seines weisen Mentors. Aber sie war so schwach und brüchig, dass er auch bei größter Anstrengung die einzelnen Worte nicht mehr unterscheiden und ihre Bedeutung erfassen konnte. Die Stimme Liishos wurde zu einem leisen Gemurmel. Wie ein Blätterrauschen des Geistes und ohne Bedeutung. Ohne Sinn. Ohne das Besondere, das ihn immer ausgezeichnet hatte.
    „Liisho …!“
    Es hatte keinen Sinn, einen Toten nachzurufen, erkannte Rajin. Er blickte suchend zum Himmel. Das Schwert steckte er ein, den Drachenstab nahm er dagegen in die rechte Hand. Er versuchte die beiden Drachen geistig zu erspüren und seine innere Kraft auf sie zu richten. Ein Schwert, ein Stab... Das alles sind nur Werkzeuge!, erinnerte sich an Worte, die Liisho so oft zu ihm gesagt hatte.
    Einen Moment lang glaubte er die Verbindung zu den beiden Drachen verloren zu haben. So sehr er auch seine innere Kraft zu sammeln versuchte, sie schien einfach nicht auszureichen. Der Moment, in dem er an dem Block Drachenbasalt zuletzt kläglich gescheitert war, kam

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