Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
Chor summte. Gardner wandte sich jetzt ein paar Grad von seinem Publikum ab, das sich zum Teil in einem tranceartigen Zustand der Verzückung zu befinden schien. Zufriedene, entspannte Gesichter, vielfach geschlossene Augen und erhobene Hände. Indessen blickte Gardner direkt in die Kamera. Der hochgewachsene und etwas zum Übergewicht neigende Prediger mit dem angegrauten Bart und der sympathischen Stimme war in diesem Moment in einigen Millionen Wohnzimmern und Küchen zu sehen.
Gardner schloß ein paar Sekunden lang die Augen, ehe er wiederholte: "Jesus lebt! Und er ist jetzt mitten unter uns! Er ist mitten unter uns, aber er will nicht, daß wir die Hände einfach nur in den Schoß legen." Eine kleine, rhetorische Pause folgte. Ein Muskel zuckte in Gardners Gesicht und er öffnete wieder die Augen. "Er will, daß wir Barmherzigkeit üben! Jeder einzelne von uns! An jeden von uns geht die Frage: Was kannst du tun, um das Leid deines Nächsten mitzutragen!" Und dabei war sein rechter Zeigefinger direkt in die Kamera gerichtet. "Was kannst du tun, damit Alten und Kranken geholfen wird?" fuhr Gardner fort. "Wir brauchen Krankenhäuser und Altenheime, wir brauchen Schulen, an denen unsere Kinder nicht nur den Umgang mit Drogen und Schlagringen lernen, um dann als Analphabeten ins Leben zu gehen - als Menschen, die nicht einmal in der Lage sind, Gottes Wort zu lesen!" Eine weitere Pause folgte. "Aber das alles kostet Geld, sehr viel Geld. Mehr Geld, als die meisten von euch in ihrem ganzen Leben verdienen werden! Doch wenn jeder von euch, jeder, der in diesem Augenblick am Bildschirm sitzt und mich hier stehen sieht, nur einen Dollar spendet, dann kämen schon mehrere Millionen zusammen!"
Auf Millionen Bildschirmen wurde jetzt eine Kontonummer eingeblendet. "Nur einen Dollar! Überlegen Sie sich, wie oft Sie einen Dollar für etwas Sinnloses verschwenden!"
Der Gospel-Chor wurde jetzt lauter und schließlich setzte das Playback für den Abspann ein.
*
Moss Gardner ging den Flur zu seiner Geraderobe entlang. Er fühlte sich müde und war froh, die wöchentliche Sendung hinter sich gebracht zu haben. Irgendjemand klopfte ihm auf die Schulter.
"Du warst großartig, Moss!" rief ihm einer ins Ohr und war dann auch schon wieder weg. Am Zigarrengeruch erkannte Gardner, daß es Jay Raines gewesen sein mußte, der Aufnahmeleiter.
Einen Augenblick später stand Gardner dann vor seiner Garderobentür. Er hatte die Klinke schon heruntergedrückt, da packte ihn plötzlich jemand an der Schulter.
"Hey, Moss! Einen Moment!"
Gardner drehte sich mißmutig zu Saul Enright herum, der einen ganzen Kopf kleiner war als der Prediger. Enright war ein schmächtig wirkender Mann mit ungesunder Gesichtsfarbe. Und Kettenraucher. Auch jetzt steckte wieder so ein Glimmstengel zwischen seinen Fingern. Gardner konnte den Geruch nicht ausstehen. Und im Augenblick wollte er nichts anderes, als einfach allein zu sein. In der Sendung hatte er sich mental völlig verausgabt.
Gardner seufzte genervt. "Was gibt es denn so Wichtiges, Saul?"
"Eine Unterschrift!"
"Hätte das nicht bis morgen Zeit?"
"Nein, Moss, das muß heute noch raus!"
Saul Enright hielt dem Prediger einen Kugelschreiber unter die Nase. Gardner knurrte etwas Unverständliches in seinen Vollbart hinein, nahm den Stift und ließ sich die Papiere geben, auf denen seine Unterschrift vonnöten war.
Gardner drückte die Dokumente lustlos gegen den breiten Türrahmen und kritzelte nachlässig seinen Namen - oder das, was andere dafür halten sollten. "War das alles?"
"Ja", nickte Enright. "Mach's gut, Moss! Sehen wir uns morgen?"
"Auf jeden Fall! Ich habe nämlich noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen!"
Enright hob die Augenbrauen. "Ach, ja?"
"Nicht jetzt. Morgen, Saul, morgen...", er rieb sich die müde wirkenden Augen und wandte sich zur Tür. "Grüß Carrie von mir!"
Enrights Gesicht veränderte sich ein wenig. In seinen blaßblauen Augen blitzte es auf einmal. Aber das dauerte nur einen Augenblick lang. Enright grinste schwach und sah, wie Moss Gardner in seiner Garderobe verschwand. Sekunden später ließ Gardner sich in seinen Sessel fallen und schloß die Augen. Er versuchte nichts anderes, als einfach abzuschalten, aber auch bei geschlossenen Augen sah er die Menschenmenge vor sich, die zu ihm aufblickte und wie hypnotisiert an seinen Lippen hing. Es dauerte immer eine Weile, bis er diese Bilder loswurde und normal denken konnte.
Moss Gardner hatte keine Ahnung, wie
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