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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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is zuviel gesagt« – und sie faßte den Entschluß, ihrem alten Unrat auf dem Umwege über den Gerichtshof hinweg, die Wahrheit zu gestehen. Das viele Schwindeln führte zu immer mehr Weitläufigkeiten. »In keiner Weise nich grade. Aber doch man in sehr nebensächlicher.«
    »Was nennt die Zeugin nebensächlich?« fragte der Vorsitzende.
    »Den da«, versetzte sie und zeigte auf Kieselack, der unter der Aufmerksamkeit des ganzen Saales auf seine Nase zu schielen begann. Er erregte immer mehr Übelwollen: jetzt auch noch durch das Glück, das er gehabt hatte. Nachträglich versuchte er zwar zu behaupten: »Sie lügt ja.«
    Aber der Vorsitzende wendete sich ab von ihm. Er war, wie alle Anwesenden, in angeregter und frei menschlicher Stimmung. Lohmann, den Rosas Enthüllung über den unglücklichen Antrag seines Freundes von Ertzum bitter kränkte, benutzte den Moment, um im Ton einer weltmännischen Anekdote hinzuwerfen: »Was will man, die Dame hat ihre Geschmacksrichtung. Den Kieselack erhört sie – ich erfahre das übrigens erst jetzt. Über einen andern Gegenstand ihrer Gunst sind wir besser unterrichtet … Dagegen, Gräfin zu werden, weigert sie sich standhaft. Und mir, der ich niemals irgendwelche Ansprüche erhoben habe, erklärt sie unablässig, ich werde ihr immer der Letzte sein.«
    »Stimmt«, sagte die Zeugin Fröhlich, und hoffte, Unrat werde es hören und beherzigen. Es ward gelacht. Der Vorsitzende schüttelte sich diesmal heftiger, einer der Richter trompetete durch die Nase und hielt sich den Bauch. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft krümmte böse die Lippen, der Verteidiger schlängelte sie skeptisch. Ertzum flüsterte Lohmann zu: »Auch noch mit Kieselack – das war der Schluß. Für mich ist sie nun erledigt.«
    »Na endlich … Übrigens sind wir fein raus. Wer reinfällt, ist Unrat.«
    »Red mir doch bloß nicht dazwischen«, raunte Ertzum noch rasch, »wenn ich das Hünengrab auf mich allein nehme. Ich muß ja ohnehin weg und auf die Presse.«
    Da stellte der Vorsitzende, ziemlich erholt, mit väterlicher Stimme nochmals die Räumung in Aussicht. Dann erklärte er die Vernehmung der Zeugin Fröhlich für beendet, sie könne gehen. Statt dessen begab sie sich in den Zuschauerraum. Sie begriff nicht, wo Unrat hingekommen sei.
     
    Unrat hatte sich während der allgemeinen Heiterkeit mit langen Schritten davongeschlichen. Er floh wie über einsinkende Dämme, unter Wolkenbrüchen, an speienden Vulkanen hin. Alles um ihn her fiel auseinander und riß ihn in Abgründe – denn die Künstlerin Fröhlich trieb Nebendinge! Lohmann und die andern, die Unrat für immer besiegt und darniedergeworfen glaubte, sie tauchten auf aus ihrem Nichts, sobald er nicht hinsah. Die Künstlerin Fröhlich nahm keinen Anstand, jene ihrer teilhaftig werden zu lassen. Von Kieselack gestand sie es ein, von Lohmann leugnete sie es noch. Aber Unrat glaubte ihr nicht mehr! Und er war hilflos erstaunt hierüber: daß die Künstlerin Fröhlich sich als unglaubwürdig herausstellte. Bis heute, bis zu diesem schrecklichen Augenblick, war sie ein Stück von ihm gewesen; und unversehens riß sie sich los: Unrat sah zu, wie das blutete, und begriff es nicht. Da er nie mit Menschen Gemeinschaft gehabt hatte, war er nie verraten worden. Nun litt er wie ein Knabe – wie sein Schüler Ertzum gelitten hatte an ganz derselben Frau. Er litt ungeschickt, ungebärdig und mit Staunen.
    Er ging nach Haus. Beim ersten Wort, das seine Dienerin an ihn richtete, fuhr er auf und jagte sie auf die Straße. Dann floh er in sein Zimmer, schloß ab, drückte sich ins Sofa und wimmerte. Von Scham ergriffen, raffte er sich auf und nahm das Manuskript der Partikel bei Homer vor. Er lehnte wieder an dem Schreibpult, das seit dreißig Jahren seine rechte Schulter in die Höhe gedrängt hatte. Aber diese und jene Rückseite war mit Zeilen an die Künstlerin Fröhlich beschrieben, manchmal nur mit einer Notiz, die sie anging. Es fehlten sogar Blätter: die hatte er achtlos an sie abgeschickt. Er sah auf einmal seine Arbeitskraft ganz ihr untergeordnet, seinen Willen schon längst nur noch auf sie gerichtet, und alle Lebensziele zusammenfallen in ihr. Nach dieser Entdeckung kehrte er zurück in seine Sofaecke.
    Es ward Nacht, und auf der Dunkelheit erschien ihm ihr leichtes, launisches, buntes Gesicht; und er blickte mit Angst hinein. Denn er erkannte, daß darin für jeden Verdacht, für jeden, ein Anhalt sei. Die Künstlerin Fröhlich

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