Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
zu betrachten.«
Als Patrick nichts erwiderte,
sondern sie nur anschaute, als hätte er sie am liebsten über Bord geworfen,
wandte Charlotte sich in — wie sie hoffte — majestätischer Haltung ab und ging,
um sich die >Überraschung< anzusehen, von der er gesprochen hatte.
Auf dem Bett fand sie einen Stapel
Zeichenblöcke, eine reichhaltige Auswahl an Wasserfarben, bunter Kreide,
Malstiften und einem halben Dutzend Tintenfäßchen in verschiedenen Farbtönen.
Trotz ihrer Begeisterung über das
Geschenk war Charlotte entschlossen, über ihrer Dankbarkeit nicht ihre Vernunft
zu vergessen. Patrick war ein sehr eigensinniger Mann, und wenn sie nicht
angemessene Grenzen für ihre Beziehung setzte, konnte nur unendliches Leid
daraus entstehen.
Mit einem Lächeln nahm sie einen der
Zeichenblöcke und ein Kästchen bunter Kreide an sich und kehrte damit an Deck
zurück. Obwohl sie kein Tagebuch führte, liebte sie es, ihre Erlebnisse und
Erinnerungen in Form von Zeichnungen festzuhalten. Seit ihrer Entführung aus
dem Souk hatte sie wenig Gelegenheit dazu gehabt, und die Aussicht, nun
ohne Einschränkungen zeichnen und malen zu können, erfüllte sie mit
andächtiger Freude.
An einem stillen Platz an Deck
setzte sie sich auf eine Kiste und begann ihre Erlebnisse in anmutige Bilder
umzusetzen, zeichnete Haremsdamen, Tänzerinnen, Araber in Burnussen und ein
Wüstenlager bei Vollmond. Und auf keinem ihrer Bilder fehlte Patrick.
»Gute Arbeit, Mrs. Trevarren«, sagte
Cochran, der unbemerkt neben sie getreten war.
Charlotte lächelte. »Ich habe in
Europa Kunst studiert.«
»Tatsächlich? Dann würde ich mir
sehr gern einmal alle Ihre Zeichnungen ansehen«, erwiderte der Maat. »Aber
eigentlich kam ich, um Ihnen auszurichten, daß in der Kapitänskabine Ihr
Abendessen wartet.«
»Danke, Mr. Cochran.« Charlotte
packte ihre Sachen zusammen und begab sich unter Deck. Zu ihrer Enttäuschung
war Patrick nirgendwo zu sehen, und so nahm sie ein einsames Dinner ein. Als
er endlich hereinkam, blieb er an der Tür stehen, verschränkte die Arme und
betrachtete Charlotte auf eine Weise, die ihr Unbehagen einflößte.
Eine ganze Weile verstrich, bis der
Captain endlich sprach. »Ich nehme an, du hast es dir nicht anders überlegt und
willst noch immer, daß ich in den Mannschaftsräumen schlafe?« fragte er.
Charlotte nickte, obwohl es sie
Überwindung kostete, weil sie wußte, daß sie Patricks Umarmungen vermissen
würde. Aber sie durfte ihm ihre Gefühle nicht zeigen, denn hätte er sie jetzt
in die Arme genommen und geküßt, wäre ihre Entschlossenheit und ihre Kraft
dahingeschmolzen wie Wachs in der Sonne.
Zu ihrer Überraschung protestierte
Patrick nicht, aber seine Miene war wie versteinert, als er dreimal in die
Hände klatschte und die gefürchteten Worte aussprach: »Ich verstoße dich!« Dann
wandte er sich abrupt ab und ging hinaus.
Charlotte war so verblüfft, daß sie
zunächst keine Worte fand, und dann wäre sie ihm am liebsten gefolgt, um ihn zu
bitten, zu ihr zurückzukommen. Aber das ließ ihr Stolz nicht zu, und so lenkte
sie sich von ihrem Schmerz ab, indem sie die einzelnen Mitglieder ihrer
Familie zeichnete, ihren Vater, Lydia, Millie, ihre kleinen Brüder und ihren
geliebten Onkel Devon.
Der erste Alptraum kam in jener
Nacht.
Mit einem Schrei erwachte Charlotte,
richtete sich auf und tastete wild nach Patrick, bevor sie sich bestürzt
erinnerte, daß sie ihn aus ihrer Kabine verbannt hatte und er sich nun als
>geschieden< betrachtete.
Sie versuchte, sich den Traum ins
Gedächtnis zurückzurufen, erinnerte sich jedoch an nichts anderes als ein
Gefühl des Entsetzens und hilfloser Angst, das selbst jetzt noch anhielt, als
sie längst hellwach war.
Es muß die Schwangerschaft sein,
entschied sie schließlich und legte die Hände schützend über ihren Bauch. Auch
ihre Stiefmutter hatte Alpträume während ihrer Schwangerschaft gehabt und
nächtelang keinen Schlaf gefunden.
Seufzend legte Charlotte sich wieder
hin und versuchte, einzuschlafen, aber sie vermißte den warmen Schutz von
Patricks Armen und seine harte Brust an ihrem Rücken.
Irgendwann, aus purer Erschöpfung,
schlief sie dann schließlich doch ein.
Am nächsten Morgen segelten sie an Gibraltar vorbei — ein
atemberaubender Anblick für Charlotte, deren Stift nur so über das Papier flog.
Patrick hätte in diesem geschäftigen Hafen ankern können, lange genug
zumindest, bis sie einen Priester fanden, der sie traute, aber er
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