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Quipu

Quipu

Titel: Quipu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Vidal
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hatte, hatte den Hauptmann bereits gegen ihn eingenommen. Und bald erfuhr er auch, dass die Indios sehr vertraut mit dem jungen Schreiber umgingen, der zudem bei einem Angriff als Einziger mit dem Leben davongekommen war. Und so begann er, den Dolmetscher anzufeinden und Gerüchte über seine Verbrüderung mit den Indios in die Welt zu setzen. Das beunruhigte Acuña zutiefst, weshalb er fortan darauf bedacht war, dass kein Spanier mehr das rote Quipu zu Gesicht bekam.

|132| Das Schlangenhaus
    I ch würde zu gern wissen, wo er sich auf dem Schiff versteckt hält. Was weißt du über ihn?«
    Als Sebastián dies hörte, hätte er sich vor Schreck fast verraten. Sicher hatte man den Schwund in den Fässern bemerkt. Die beiden Matrosen, die eben in den Laderaum herabgestiegen kamen, schienen einen Kontrollgang zu machen. Er wagte kaum zu atmen.
    »Nicht viel«, antwortete der zweite Matrose. »Ich musste auf der Werft Wache schieben, als er in einer Sänfte ankam. Es war mitten in der Nacht, und auf Deck war kein Mensch mehr zugange. Ich weiß nur, dass der neue Kapitän ihn erwartet hat.«
    »Das heißt, er könnte einfach so unter uns rumspazieren, ohne dass ihn jemand erkennt.«
    »Weiß man’s, bei den vielen Zivilisten, die wir an Bord haben? Aber er kann natürlich auch im Heck untergebracht sein, wo die Offiziere schlafen.«
    »Möglich, aber da kommen wir nicht rein.«
    »Ich habe munkeln hören, dass eine der Kaplanskabinen mit ein paar Holzwänden abgetrennt worden ist. Die hat dieser Zimmermann eingezogen, den sie angeheuert haben. Warst du mal in seiner Werkstatt?«
    »Ja, warum?«
    »Versuch, beim nächsten Mal unauffällig unter seine Werkbank zu gucken. Er hat zwar ein Tuch drübergeworfen, aber da steht ein Holzmodell unseres Schiffes mit allen Veränderungen, die er vorgenommen hat.«
    |133| »Vielleicht weiß ja Miguelito, der Schiffsjunge, mehr, schließlich bringt er jeden Tag das Essen dorthin.«
    »Ach ja? Ich dachte immer, das Tablett sei für den Kapitän.«
    »Das ist viel zu viel für einen einzigen Mann. Und der isst sowieso wie ein Spatz, habe ich mir sagen lassen.«
    In diesem Moment ertönte von oben der Pfiff des Obermaats, sodass die beiden Matrosen schnell ein paar Lebensmittel in ihren Weidenkorb packten und dort, wo sie heruntergekommen waren, wieder hinaufstiegen.
    Kaum war die Luke geschlossen, atmete Sebastián erleichtert auf. Entgegen seinen Befürchtungen hatten die beiden nicht von ihm, sondern von einem anderen Passagier an Bord der »África« geredet. Da kam ihm das grüne Cape in den Sinn, das vor seinen Augen verladen worden war. Ist dessen Besitzer derjenige, der da abgeschirmt wird?, fragte er sich. Die Bemerkungen der beiden Matrosen hatten ihm deutlich gemacht, wie schwierig es war, ins Heck zu gelangen, wo dieser geheimnisvolle Fremde vielleicht untergebracht war. Er selbst war bei seinem Erkundungsgang auch nur bis zu der Ziegelwand gekommen, die die Pulverkammer schützte.
    Sebastián zündete die Laterne an und inspizierte vorsichtig die Umgebung. Erfreut stellte er fest, dass die Matrosen ein paar neue Fässer aufgemacht hatten, eines mit Äpfeln, eines mit Heringen und ein drittes mit Nüssen. Das würde eine gewisse Abwechslung in seine Kost bringen. Mit einem rotwangigen Apfel machte er es sich auf den Tauen gemütlich und schlug wieder die Chronik auf.
     
    Diego de Acuñas Aufzeichnungen machten deutlich, wie sehr ihn die schöne junge Indiofrau beeindruckt hatte, die er vor Martín de Loyolas Soldaten errettet hatte. Er konnte sie einfach nicht vergessen und suchte sie überall, auf Straßen und Plätzen, auf Märkten und in Kirchen. Bisweilen entdeckte er bei einem anderen Mädchen einen Zug von ihr, eine Geste, doch wirklich ganz sah er sie nur in seinen Träumen.
    Bis ihm der Zufall zu Hilfe kam: Eines Morgens lief ihm |134| in aller Frühe einer der Hellebardiere über den Weg, die das Mädchen in jener Nacht bedrängt hatten, und er stellte ihn zur Rede. Der Soldat behauptete, sie nicht zu kennen; sie hätten nur beobachtet, wie sie sich aus einem Haus gestohlen habe. Das sei ihnen verdächtig vorgekommen, und deshalb hätten sie sie verfolgt.
    Auf Acuñas Bitte führte der Soldat ihn darauf widerwillig in eine Gasse nahe der Plaza de Armas, wo er auf ein Haus aus großen grauen Quadern wies. Wegen der in Stein gehauenen Schlangen an der Fassade wurde es das Schlangenhaus genannt. Überrascht stellte der Schreiber fest, dass eine Menge Schaulustige vor

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