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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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nur Oma, aber ein paar Sympathiepunkte bekam er dafür trotzdem zurück.
    »Ich gehe auf jeden Fall hin«, sagte ich.
    Bubo rieb mit dem Handrücken seine Nase, als riebe er den Schnabel an der Kralle, wie er es als Uhu oft tat. »Dass Strix und ich dich begleiten, hatten wir ja schon gesagt.«
    Jori warf ihm einen erbosten Blick zu. »Ach ja? Warum haben wir dann überhaupt darüber diskutiert?«
    Auf meinem lila Zeltkleid prangte eine glitzernde Perlenstickerei, wie ich erst jetzt entdeckte. Ich konnte mich gerade noch davon abhalten hineinzubeißen, räusperte mich stattdessen und versuchte, besonders vernünftig zu klingen. »Damit du dir eine Meinung bilden und entscheiden kannst, ob du dabei sein willst oder nicht. Also, bist du dabei?«
    »Natürlich. Glaubst du, ich will mich auf den Blödsinn verlassen müssen, den ihr mir später erzählt? Aber eins könnt ihr euch aus dem Kopf schlagen: Ich fahre da ganz bestimmt nicht mit dem Fahrrad hin.«
    Ich musste grinsen und konnte mir gerade noch verkneifen, »wie schade« zu sagen.
    »Wir fahren alle mit dem Bus. Ich habe die Verbindung schon herausgesucht«, sagte Strix.
    Obwohl ich auf dem Rückweg extra langsam flog und es ein bisschen bergab ging, sprach Jori an diesem Tag kein Wort mehr mit mir.
    Mama dagegen sprach eine ganze Menge Worte, die sich alle darum drehten, wie wichtig es ihr war, dass ich mich an unsere Abmachung hielt, mich nicht mehr allein zu verwandeln. Ich beschloss, gar nichts dazu zu sagen und die Sache mit meinem Gewissen auszumachen. Obendrein musste ich allerdings Joris boshaftes Grinsen ertragen. Immerhin hielt sie die Klappe.
    In dieser Nacht hatte ich Albträume und wachte mindestens zweimal auf. Immer wieder wurde ich gejagt und konnte nicht fliehen – es war scheußlich. Erst gegen Morgen träumte ich etwas Friedlicheres: Ich saß im Baumwipfel, in dem riesigen Greifvogelhorst, den Leander mir in den Bergen gezeigt hatte. Doch dieses Mal fühlte es sich nicht falsch an, sondern so, als wäre ich ein Küken, das gemütlich auf Mutter oder Vater wartet. Nur, dass ich kein Vogel war, sondern ein Mensch. Ich hob im Traum extra die Hand vor meine Augen, um das nachzuprüfen. Als in weiter Ferne am Himmel ein großer Greifvogel erschien, freute ich mich und winkte ihm zu. Nun war ich allerdings nicht mehr allein im Nest, sondern hockte zwischen zwei Jungvögeln, die sich ebenso freuten wie ich und vorsorglich die Schnäbel zum Betteln aufsperrten. Ich musste lachen, weil ich sie so niedlich fand, als wären sie meine kleinen Geschwister.
    Der Traum hätte gern noch länger dauern dürfen, doch bevor der große Vogel bei uns ankam, wurde ich von einem Klappern an meinem Fenster geweckt. Ich setzte mich auf, konnte aber nichts entdecken und vermutete, dass es nur Leander gewesen war, der kurz zu mir hereingeschaut hatte.
    Für den Rest dieser letzten Woche vor den Herbstferien war ich völlig mit der Schule beschäftigt. Wir schrieben noch eine Bio- und eine Gesellschaftslehrearbeit und machten mit der Klasse einen Ausflug zur Bowlingbahn, bevor endlich das Wochenende da war.
    Von Jori bekam ich so wenig mit, dass ich kaum an sie dachte – bis ich am späten Donnerstagnachmittag nach Hause kam und einen Habicht in unserer Kastanie sitzen sah, der mir sehr bekannt vorkam.
    Zu meiner Schande muss ich zugeben, dass ich als Erstes von einer unsinnigen Eifersucht befallen wurde. Wie kam die eingebildete Kaninchenerschreckerin dazu, sich in meine Kastanie zu setzen? Zum Glück kam ich schnell wieder zur Vernunft. Ich brachte Omas Fahrrad in unseren Schuppen und postierte mich am Fuß des Baumes.
    »Hallo Jori«, rief ich leise hinauf und bot ihr meine Hand an, über die ich meinen dicken Jackenärmel gezogen hatte. Sie breitete kurz die Schwingen aus und wirkte, als beabsichtigte sie wirklich auf meinem Arm zu landen, doch dann überlegte sie es sich anders. Anscheinend hatte sie plötzlich entschieden, dass eine Begegnung mit mir unter ihrer Würde war. Also schüttelte sie ihr Gefieder und wandte sich von mir ab.
    Für einen Augenblick war ich in Versuchung, zur Elster zu werden und sie zu ärgern, aber da öffnete Mama das Wohnzimmerfenster. »Hallo! Sag mal, bist du mit Omas Rad gefahren? Ist mit deinem etwas nicht in Ordnung?«
    Au verflixt, auch das noch! Und ich hatte die Sache gerade so schön verdrängt. Ein tiefer Seufzer entrang sich mir. Es wurde Zeit für ein Geständnis. »Ich komme rein und erzähl es dir«, rief ich ihr zu. Um

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