Rabenherz & Elsternseele
ein Mittel zu finden, das euch und allen anderen Nachfahren den Fluch … die Verwandlung erspart. Wir glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind, brauchen aber jetzt Hilfe. Deshalb wollte ich mit deiner Großmutter sprechen, Pia. Ich weiß, dass sie die Verwandlung ungewöhnlich gut kontrollieren kann. Sie könnte einen wertvollen Beitrag leisten.«
»Fragen Sie doch gleich Pia. Sie verwandelt sich, wann sie will. Hin und her. Ich fände es großartig, wenn es so ein Mittel gäbe. Endlich könnte ich mein Leben planen und mich nur dann verwandeln, wenn es mir passt«, sagte Bubo.
Frau Winterstein lächelte schwach. »Du würdest leben können wie jeder normale Mensch. Unser Mittel würde die Verwandlungen ganz abstellen. Das muss so sein, denn die Bedrohung durch das Vogelfängerlied wird nicht enden. Also können wir Tatanwis Nachfahren nur retten, wenn wir die Last der Verwandlung für alle Zeiten von ihnen nehmen.«
Leben wie jeder normale Mensch? Schneckendreck. Nichts gegen normale Menschen, aber der Gedanke, nicht mehr fliegen zu dürfen, nachdem ich es doch gerade erst gelernt hatte, machte mich wütend.
»Es wäre besser, die Leute zu finden, die das grässliche Lied geschaffen haben, und sie daran zu hindern, es zu spielen. Warum sollen wir uns alle verstellen und vor ihnen verstecken? Das ist ungerecht. Wir sollten uns das nicht gefallen lassen«, sagte ich.
Tränen traten in Frau Wintersteins Augen. »Mein Kind, du hast keine Ahnung, wie gefährlich diese Leute sind. Es wäre äußerst dumm, einen solchen Kampf gegen sie zu beginnen. Und die meisten Nachfahren Tatanwis wären erleichtert, wenn man sie von ihrer Last befreien würde.«
Bubo nickte. »Ich hätte nichts dagegen.«
»Also ich schon«, sagte ich.
In diesem Moment hörten wir draußen einen Aufschrei. Strix und ich kamen gleichzeitig bei einem der kleinen Mühlenfenster an und drängten uns zusammen, um hinausblicken zu können. Auf dem Weg nahe des Taubenhauses standen ein paar Museumsbesucher und zeigten aufgeregt nach oben. Wir sahen gerade noch, wie ein Habicht sich mit einer geschlagenen Taube in der Krone einer großen Buche niederließ.
»Jori! Sie denkt nur an Futter«, seufzte ich.
»Ist sie dir gefolgt?«, fragte Strix.
»Offensichtlich. Sie muss wohl doch etwas verstanden haben.«
Jori leistete ganze Arbeit mit der Taube. Man sah die Federn davonstieben. Einige Besucher standen immer noch da und beobachteten das Geschehen. Einer der Museumsgärtner kam mit seinem Elektrokarren angefahren, und sie erzählten ihm aufgebracht, was der böse Habicht getan hatte. Als wäre das nicht etwas völlig Natürliches. Der Gärtner schien jedoch ihrer Meinung zu sein und machte ein grimmiges Gesicht. Hoffentlich stellte Jori jetzt nicht noch mehr Dummheiten an. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, ließ sie die Reste der Taube fallen und schwang sich wieder in die Luft. Zielstrebig flog sie auf den Hühnerhof mit den seltenen Arten zu.
Strix begriff so schnell wie ich. »Oh nein. Pia, du musst was tun.«
Ich war schon dabei, meine Jacke auszuziehen und drückte sie ihm in die Hand. Am meisten Schwierigkeiten gab es beim Verwandeln mit meinen Oberteilen, das hatte ich inzwischen herausgefunden. Darin verstrickte ich mich immer, alles andere fiel einfach ab.
»Mach mir das Fenster auf! Und guckt weg!«, befahl ich Strix. Bubo und er drehten sich um. Nur Frau Winterstein gaffte verblüfft weiter in meine Richtung. Ich ließ ihr nicht lange Zeit mich zu bewundern, sondern zog mir Sweatshirt und Unterhemd gleichzeitig über den Kopf und wurde zur Elster.
Ding dang dong. Strix flitzte zum Fenster und öffnete es für mich. Zum Dank landete ich kurz auf seiner Schulter und zwickte ihn mit dem Schnabel ins Ohrläppchen. Es wurde allerhöchste Zeit, dass wir uns wieder vertrugen.
Doch als Nächstes musste ich den Hühnerschreck einholen.
Jori zog schon ihre Kreise über dem Auslauf der kostbaren Zwerghühner. Mit meinem lautesten Keckern setzte ich zum Angriff auf ihre Schwanzfedern an. Denn: Der Schwanz ist das Wehrloseste an so einem Mäusefänger und trotzdem wichtig zum Fliegen.
Jori bemerkte gleich, worauf ich abzielte, und versuchte, mir auszuweichen. Aber, hey, ich hatte nicht umsonst mit Leander Kunstflug geübt. Jori und ich wurden zu einem wirbelnden Ball aus Habicht- und Elsternfedern. Angriff, Ausweichen, Nachrücken, Gegenangriff.
»Die Elster kämpft mit dem Hühnerhabicht!«, hörte ich eine Frau rufen.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher