Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
verweigert. Nur ausnahmsweise war es Reportern gelungen, sie für ein Gespräch zu gewinnen, wobei sie stets den Tathergang so schilderte, wie sie es gegenüber der Polizei und dem Gericht getan hatte. Zur Hauptverhandlung war Michelle Crouchford, wie ein Ausschnitt aus der Tagespresse belegte, mit zusammengeknotetem Haar, im Winterkostüm und mit Wollmantel erschienen, was es Maxim Wendel zusätzlich schwer gemacht haben dürfte, die sexuellen Lockungen der Zeugin, die aus seiner gebetsmühlenartig wiederholten Sicht die eigentliche Täterin war, glaubhaft zu machen.
7
Als Trost Stephan am kommenden Montagmorgen anrief und ihn aufgeregt bat, sofort in seine Praxis am Phoenix-See zu kommen, hoffte Stephan auf neue Hinweise in dem bis jetzt aussichtslos erscheinenden Fall des Maxim Wendel. Doch Trost wartete nicht mit Neuigkeiten auf, die seinem Mandanten hätten helfen können. Stattdessen führte er, nunmehr gelöst lächelnd, Stephan mit eiligen Schritten durch das Büro direkt auf die Terrasse und dann über eine seitwärts nach unten führende Treppe direkt auf die Uferpromenade, auf der sich schon etliche Spaziergänger versammelt hatten, die neugierig ein direkt am Ufer liegendes Segelboot betrachteten. Trost drängte Stephan durch die sich sammelnde Menge von Schaulustigen nach vorn, und dort erkannte Stephan endlich, wer sich auf dem Segelboot befand: Es war Hubert Löffke, der über seinem Anzug eine schwarze Anwaltsrobe trug, die seinen fülligen Körper wie einen Sack umhüllte. Vor dem mit dem Bug zum Ufer weisenden und dort festgezurrten Boot befand sich auf der Promenade ein Gerät, das sich als Luftgebläse entpuppte und nun angeworfen wurde. Ein drahtiger junger Mann, der ebenso wie ein Kameramann und ein mit einem Richtmikrofon ausstaffierter Assistent zu einer Werbeagentur gehörte, forderte mit sonorer Stimme Hubert Löffke auf, seinen einstudierten Text zu sagen. Mit dem aufkommenden Wind blähten sich schlagartig das Segel des Bootes und Löffkes Robe auf. Löffkes stets etwas fettige Haare drifteten nach hinten und entblößten die wachsenden Geheimratsecken. Hubert Löffke stemmte sich gegen den Wind und japste nach Luft. Dann schrie er in den vermeintlichen Sturm: »Vor Gericht und auf hoher See, so sagt man, bist du mit Gott allein. Drum lass einen Anwalt von Format deine Hilfe sein. – Ich berate Sie in allen Stürmen des Lebens – schnell und nie vergebens. Ihr Hubert Löffke, Kanzlei Löffke und Kollegen, Prinz-Friedrich-Karl-Straße in Dortmund.«
Der drahtige Mann mit der sonoren Stimme bedeutete dem nun an der Windmaschine stehenden Assistenten, das Gerät abzustellen. Der Sturm hörte augenblicklich auf, das Segel des Bootes fiel schlaff in sich zusammen und Löffkes Robe schmiegte sich wieder an seinen fettleibigen Körper. Trost fiel in ein wieherndes Lachen und klatschte höhnisch Beifall, in den die anderen einfielen, bevor er Stephan freundschaftlich an die Schulter fasste und ihn bat, ihm wieder auf die Terrasse zu folgen. Von oben betrachteten sie noch eine Weile das Treiben am Ufer und sahen, wie Löffke, der sowohl Trost als auch Stephan erkannt hatte, eilig und peinlich berührt davonstrebte.
»Ich muss mich nicht wiederholen«, sagte Trost, »Sie brauchen keinen Löffke. Dass diese fette Tonne mir nun auch noch die Freude macht, sich direkt vor meinem Fenster zum Clown zu machen, konnte ich natürlich nicht ahnen. Aber es ist unzweifelhaft ein ganz besonderer Spaß, für den ich dem lieben Löffke auch noch dankbar bin, denn seine Show macht es mir leicht, Ihnen etwas anzubieten, Herr Knobel.«
Trost hielt inne und sah Stephan verheißungsvoll ins Gesicht.
»Sie sollten überlegen, ob Sie mit mir in Zukunft zusammenarbeiten möchten, Herr Knobel. Zunächst nur auf kollegialer Basis mit wechselseitiger Vertretung, Mandatsvermittlung und so weiter. Später können wir uns, wenn wir uns wechselseitig erprobt haben, zu einer Sozietät zusammenschließen. Sie brauchen also im Moment nicht zu investieren. Sie bleiben räumlich noch dort, wo Sie gerade sind, und dann sehen wir weiter. Es geht Schritt für Schritt nach vorn. Ich brauche mittelfristig Verstärkung und in absehbarer Zeit einen Nachfolger. Ich bin zwar, wie man so sagt, ein Arbeitstier, aber sicherlich keiner jener Idioten unseres Berufsstands, die bis zum Sarg weiter arbeiten. Irgendwann, in drei oder vier Jahren, höre ich mit Sicherheit auf. – Ich muss ja noch das Geld ausgeben, das ich verdient habe.« Er
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