Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
lachte. »Es ist schwer, an gute Juristen zu kommen. Bei Ihnen bin ich mir sicher, eine solche Perle gefunden zu haben. Also überdenken Sie mein Angebot. Sie müssen sich nicht jetzt entscheiden. – Und noch ein Weiteres«, fügte er nach einer Pause hinzu: »Ich bin Mitglied eines kleinen Netzwerks, in dem sich anständige Personen mit einer soliden sozialen Vita treffen. Wir haben uns vor einigen Jahren gegründet. Zunächst waren wir zu viert, dann sind nach und nach weitere Personen dazugekommen. Vor geraumer Zeit haben wir beschlossen, unsere Mitgliederzahl auf zehn zu begrenzen. Das ist eine Größenordnung, die einerseits klein genug ist, um persönliche Kontakte untereinander substanziell pflegen zu können und andererseits groß genug, um als Gruppe etwas bewegen zu können. Deshalb nennen wir uns schlicht ›Die Zehn‹. Derzeit sind wir erst neun. Mit anderen Worten: Ich kann mir vorstellen, dass Sie unseren Kreis vervollständigen. Kommen Sie zu unserem nächsten Treffen am kommenden Mittwoch, also übermorgen. Das ist der 11. Juli. Wir treffen uns dann bei unserem Mitglied Wolfgang Traunhof. Sie werden bestimmt schon einmal von ihm gehört haben. Er ist ein sehr profilierter Mediziner. – Stellen Sie sich ihm und den anderen vor, und schauen Sie, ob auch wir etwas für Sie wären. Sympathie muss auf Gegenseitigkeit beruhen, Herr Knobel. Das ist doch klar.«
Er nannte Stephan Traunhofs Adresse und suchte eine Regung in dessen Gesicht, aber Stephan konnte nur wortlos staunen.
»Das ist jetzt sicher etwas viel für Sie«, erkannte Trost. »Aber ich bin nun einmal, wie ich bin, Herr Knobel. Ich habe ein untrügliches Gespür dafür, Menschen zu erkennen, mit denen etwas anzufangen ist. Und bei Ihnen bin ich mir – so vermessen bin ich – sicher, dass Ihr persönliches und berufliches Profil zu den ›Zehn‹ passt. Mir gefällt sehr, wie Sie an die Sache Wendel herangehen. Ihre messerscharfen Beobachtungen zum Standort von Wendels Staffelei nötigen mir Respekt ab. Diese Herangehensweise zeichnet den wahren Spezialisten aus. – Also: Denken Sie über meine Angebote nach, Herr Knobel! Alles ist unverbindlich. Wenn Sie Nein sagen, ist das in Ordnung. Sie schulden mir keine Erklärung. Vertrauen Sie mir! Ich halte immer mein Wort.«
Er streckte Stephan die Hand entgegen, und Stephan, noch immer ungläubig erstaunt, schlug ein. Er war so überrascht, dass er die Frage, die ihm auf dem Weg zu Trost eingefallen war, erst beim Hinausgehen stellte:
»Wissen Sie, was aus Michelle Crouchford geworden ist und wo sie heute wohnt?«
Trost zuckte mit den Schultern.
»Nein, ich weiß nicht, wo sie abgeblieben ist. Sie stammte aus Leipzig. Die letzte bekannte Adresse müsste sich aus der Akte ergeben. Sie ist damals polizeilich vernommen worden. In dem Polizeiprotokoll wird die Adresse stehen. Im gerichtlichen Protokoll findet man die genaue Anschrift bekanntlich nicht. Wollen Sie sie sprechen?«
»Vielleicht«, überlegte Stephan. »Ich will mir zumindest ein Bild von ihr machen. Es werden sich auch noch Fragen ergeben, da bin ich mir sicher.«
»Vorsicht, blondes Gift!«, mahnte Trost lächelnd. »Eine wahrlich hübsche Frau. Ein Stück weit kann ich unseren Herrn Wendel verstehen. – Aber Sie werden dieser Gefahr nicht erliegen«, war er sich sicher. »Sie haben eine attraktive Partnerin. Sehr angenehm. Es gibt ja das Sprichwort: Sage mir, mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist. Da ist viel dran. Wenn ich etwas besitze, dann ist es Menschenkenntnis«, wiederholte Trost. Er zwinkerte Stephan zum Abschied aufmunternd zu.
8
Als Stephan sich danach ins Auto setzte, hätte er vor Stolz und Freude platzen können. Es war einer jener Momente im Leben, in denen sich alles zu fügen und das Glück mit Händen greifbar schien. Dass sich der schmierige Löffke mit seinem Werbespot der Lächerlichkeit preisgegeben hatte und frustriert Stephans zufällige Anwesenheit ertragen musste, rundete Stephans Euphorie nur ab. Viel wichtiger war, Trosts Gunst erworben zu haben, der mit seinem unerwartetem Angebot einen beruflichen Horizont eröffnete, der für Stephan zuvor unerreichbar schien. Trost galt nicht nur als der versierte und über alle Zweifel erhabene Strafrechtler schlechthin; er galt als unangefochtene Persönlichkeit. Wo er erschien, trat er im wörtlichen Sinne auf und beherrschte den Raum, jedoch nicht in unangenehmer, sondern in wohltuend bereichernder Weise. Stephan hatte den Lebenslauf des
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