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Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Rasterfrau: Knobels achter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Kollegen Trost im Internet studiert. Studium und Referendariat folgten bald berufliche Glanzpunkte in einer verdienten Karriere. Gereon Trost hatte alles selbst geschafft. Er hatte, wie er in einem Interview mit der Tagespresse anlässlich seines 50. Geburtstages betonte, die von ihm so bezeichnete Ochsentour gemacht. ›Nach oben kommen heißt nicht nach oben kriechen‹, hatte die Zeitung getitelt. Stephan hatte den Artikel sorgfältig studiert, der sich ein wenig wie eine Arbeitsanleitung für jene las, die sich wie Stephan in der Selbstständigkeit abmühten und trotz guter juristischer Arbeit für den Mandanten nicht recht nach vorn kamen. Natürlich suchte Trost unverhohlen mit der Verteidigung von Angeklagten in aufsehenerregenden Fällen die Öffentlichkeit. All dies war bekannt, aber die entscheidende Frage war, wie er es geschafft hatte, überhaupt in die erste Riege vorzustoßen. Wann wurde aus dem bis dahin namenlosen Advokaten der Anwalt, dessen Name stets als Erstes gehandelt wurde, wenn es um Prozesse ging, die die Öffentlichkeit in Herz und Seele berührten? Trost war sich für nichts zu schade gewesen. Er diente sich zunächst für Pflichtverteidigungen an, hielt Vorträge zu Recht und Unrecht, Moral und dem Recht auf Unmoral, referierte mal vor der Industrie- und Handelskammer, mal vor Häftlingen in der Justizvollzugsanstalt, stiftete Gelder für die Gefängnisbibliotheken ebenso wie für Opferschutzvereinigungen, empfahl sich den Opfern als Nebenklagevertreter ebenso wie dem mehrfachen Mörder als Bollwerk der durch ihn garantierten Verfahrensrechte. Gemeinsame Schnittmenge war stets das Recht, das für alle galt und deshalb von Trost auch mit seiner Hilfe allen zuteil werden sollte. Was äußerlich wie ein beliebiger Rollenwechsel wirkte, der lediglich als Vehikel diente, Trosts Ansehen und seinen Reichtum zu mehren, war im Verständnis seines beruflichen Ethos immer nur das Recht, dem er sich verpflichtet fühlte wie ein Priester seinem Herrn. Trost verstand, wovor Stephan Knobel stets zurückscheute: Er konnte sich in den Dienst einer Sache stellen und sie so vertreten, als sei sie seine eigene und seine ausschließliche. Und er konnte bei nächster Gelegenheit eine ganz andere Sache vertreten, doch er tat es wiederum so, als sei sie seine eigene und ausschließliche. Trost war im positiven Sinne wandelbar.
    Dagegen erkannte Stephan in sich selbst den Betrachter von außen, und er glaubte, dies vor den anderen nicht verbergen zu können. Sogar der fettleibige Löffke schien Stephan in dieser Hinsicht überlegen, wenn er sich unter Einsatz seiner körperlichen Präsenz vor Gericht lärmend in den Dienst seiner Klientel stellte. Der Unterschied war, dass Löffke seine Mandanten wie ein sich auf die Brust trommelnder Affe überzeugen wollte, während Trost sie elegant umgarnte und scheinbar spielend für sich gewann.

    Der Zauber jenes Montagmorgens lag darin, dass Trost über Hubert Löffke hinweg, der zufällig und sinnbildlich als fast Schiffbrüchiger zur Kulisse geworden war, zu Stephan eine Brücke schlug, und Stephan spürte, dass jenseits des ganz unterschiedlichen Auftretens ihn mit Trost tatsächlich eines verband: Er setzte sich wie jener wirklich für die Sache ein.
    Also war dieser Montagmorgen eine Zeit, in der alles stimmte: Stephans Hochgefühl spiegelte sich in der äußeren Leichtigkeit dieses Tages, in der milden Sommerluft, die angenehm über die Haut strich, dem wolkenlosen Himmel, der sich über die Stadt wölbte und in den Gesichtern aller Menschen, die Stephan aus dem Auto heraus wahrnahm und seine Freude still zu teilen schienen. Das Schöne dieses Tages ließ es zur Nebensache werden, dass von den Eheleuten Annemarie und Heinz Brandstätter, die – wie sich aus der Akte ergab – schon zum Zeitpunkt des Mordes an Rudolf Gossmann in einem Altersheim am Zoo wohnten, nur noch Annemarie lebte. Stephan, der dem Erna-David-Zentrum an der Mergelteichstraße einen Besuch abstattete, erfuhr, dass Heinz Brandstätter bereits Anfang des letzten Jahres an einem Schlaganfall verstorben war und seine Ehefrau Annemarie, die seit Jahren an einer sich verstärkenden Demenz litt, wohl keine Erinnerung mehr an einen Vorfall haben dürfte, der im Verständnis des Krankheitsbildes der Demenz erst kurze Zeit zurücklag und aller Voraussicht nach vergessen war. Stephan erinnerte sich, dass die wesentliche und detailliertere Aussage im Mordprozess gegen Wendel von Heinz Brandstätter stammte,

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