Raumschiff 3 - Tia
Zungen-und Augenbewegungen steuern konnte.
Durch einen Befehl setzte er sich in Bewegung, während ihre Augenstellung ihm die Richtung anzeigte. Außerdem hatte ihr Modell mechanische ›Arme‹, die bestimmten
vorprogrammierten Mustern folgten, um ihr weitere Befehle zu ermöglichen. Jedem Befehl mußte das Wort ›Stuhl‹ oder
›Arm‹ vorausgehen. Das war zwar ein unbeholfenes System, aber das beste, was sie ihr, ohne synaptische Verbindungen vom Hirnstamm auszulegen, wie man es bei Hüllenmenschen tat, bieten konnten. Ihr Stammhirn war jedenfalls noch intakt.
Was immer es war, hatte zwar ihrer Wirbelsäule zugesetzt, aber nicht dem Gehirn.
Davon abgesehen, Mrs. Lincoln, dachte sie in bitterer Ironie, wie war das Stück?
»Was meinst du, Tia?« fragte Braddon, und seine Stimme
bebte nur unmerklich.
»Das ist wirklich kosmisch, Dad«, erwiderte sie fröhlich. »Es ist, als würde man ein Schiff steuern! Ich denke, ich werde Doktor Kenny zu einem Wettrennen herausfordern!«
Pota schluckte und brachte ein mattes Lächeln zustande. »Es wird nicht lange dauern«, sagte sie ohne Überzeugungskraft.
»Sobald sie feststellen, was sich da in deinem Inneren häuslich eingerichtet hat, haben sie dich wieder gesund gemacht.«
Tia biß sich auf die Lippe, um sich zusammenzureißen, und zwang sich zu einem Grinsen. Die Wahrscheinlichkeit einer Heilung wurde von Tag zu Tag geringer. Weder Anna noch
Kenny versuchten, ihr etwas darüber vorzumachen.
Aber es hatte keinen Zweck, ihre Eltern unglücklich zu
machen. Sie fühlten sich schon schlecht genug.
Tia versuchte, ihnen sämtliche Vorzüge des Stuhls
vorzuführen, bis nicht einmal sie es mehr ertrugen. Ihre Eltern gingen unter einem Vorwand, versprachen, zurückzukommen
– und es folgte ihnen eine Schar von Internisten und
Neurologen) von denen jeder Variationen über dieselben
Grundfragen stellte, die Tia schon tausendmal beantwortet hatte.
»Erst haben sich meine Zehen so angefühlt, als seien sie eingeschlafen, als ich eines morgens erwachte, aber das ging wieder weg. Danach ging es nicht mehr weg. Dann erwachte ich nicht mehr mit einem Prickeln sondern mit einem Gefühl der Taubheit. Nein, es hat nie wirklich weh getan. Nein, am Anfang reichte es nur bis zur Sohle. Ja, nach zwei Tagen fing es dann in den Fingern an. Nein, nur in den Fingern, nicht in der ganzen Hand…«
Stundenlang. Aber Tia wußte auch, daß die Leute nicht
bösartig waren, sie versuchten ihr zu helfen, und das hing davon ab, wie sehr sie mitarbeitete.
Doch die Fragerei ließ Tias eigene Fragen nicht verstummen.
Bisher waren nur die sensorischen Nerven und das willkürliche Pilot-und Nervensystem betroffen. Was, wenn auch das
unwillkürliche davon befallen wurde und sie eines Tages aufwachte, und nicht mehr atmen konnte? Was dann? Was,
wenn sie die Beherrschung über ihre Gesichtsmuskulatur verlor? Schon das leiseste Prickeln ließ sie in panischen Schweiß ausbrechen, weil sie glaubte, daß es jetzt passieren würde…
Niemand konnte die Fragen beantworten. Weder ihre eigenen noch die der anderen.
Schließlich gingen sie kurz vor dem Abendessen alle. Nach ungefähr einer halben Stunde beherrschte Tia die Arme genug, um selbst essen zu können, was ihr die Demütigung ersparte, deswegen eine Krankenschwester herbeirufen zu müssen. Und das Entsorgungssystem des Stuhls ersparte ihr auch die
Demütigung der natürlichen Folgen des Essens und
Trinkens…
Nach dem Abendessen, als das Tablett abgeholt worden war, ließ man Tia ganz allein im immer dunkler werdenden Raum zurück. Sie wäre in sich zusammengesackt, wenn sie das noch gekonnt hätte. Es war ganz gut, daß Pota und Braddon nicht zurückgekehrt waren. Es war eine Belastung, sie hierzuhaben.
Es fiel Tia schwerer, vor ihnen Tapferkeit zu mimen als vor Fremden.
»Stuhl, siebzig Grad nach rechts drehen«, befahl sie. »Linker Arm, Bär aufheben.«
Mit einem sanften Schnurren gehorchte der Stuhl.
»Linker Arm, lege Bär… Kommando zurück. Linker Arm,
führe Bär an linke Gesichtsseite.« Der Arm bewegte sich ein Stück. »Dichter. Dichter. Halt.«
Jetzt schmiegte sie Ted an ihre Wange und konnte sich
einbilden, daß es ihr eigener Arm sei, der ihn dort hielt.
Jetzt, da niemand zuschauen konnte, bildeten sich langsam heiße Tränen in ihren Augen und liefen ihre Wangen hinab.
Tia lehnte den Kopf ein Stück nach links, damit Teds weicher blauer Pelz die Tränen trocknen konnte und sie sich nicht verriet.
»Das
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