Raus aus der Suchtfalle!
Gedächtnis überhaupt funktioniert. In der modernen Gedächtnisforschung werden zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten unseres Gedächtnisses voneinander unterschieden, die man als »explizites Gedächtnis« und als »implizites Gedächtnis« bezeichnet.
Das explizite Gedächtnis lässt sich willentlich kontrollieren
Das explizite Gedächtnis beinhaltet all jene Gedächtnisinhalte, für die wir eine Sprache haben. Wir können also unser Wissen »über die Welt« in der Sprache ausdrücken, also all das, was wir an Allgemeinbildung und auch speziellerer Wissensbildung in uns tragen. Auch das »autobiografische Gedächtnis« ist Teil des expliziten Gedächtnisses. Es umfasst all unsere persönlichen Erlebnisse, die wir auch ungefähr einer Zeit zuordnen können. Viele Menschen können sich mehr oder weniger genau an markante Lebensereignisse erinnern, zum Beispiel den Tag der Einschulung, den ersten Kuss und vieles mehr. Dieses Wissen, das wir auch in Form von Sprache abrufen können, ist sehr nahe am Bewusstsein. Wir können es im Regelfall auf Kommando abrufen.
Das implizite Gedächtnis lässt sich nicht bewusst kontrollieren
Das implizite Gedächtnis ist viel weiter weg von unserem Bewusstsein. Im impliziten Gedächtnis sind die Gedächtnisinhalte oft gar nicht sprachlich zugänglich. Einen großen Teil des impliziten Gedächtnisses stellen unsere motorischen Fähigkeiten dar, also unsere Bewegungssteuerung. Die meisten Bewegungen, die wir durchführen, sind weitgehend automatisiert: Wir können gehen, schreiben, schwimmen, Fahrrad fahren und vieles mehr, ohne dass wir die Bewegungsabläufe bewusst steuern müssten. Die automatisierten Abläufe benötigen unser Bewusstsein nicht; wir können parallel zu diesen automatisierten Denk- und Verhaltensweisen anderes tun. Da das implizite Gedächtnis kein Bewusstsein benötigt, kann es durch unser Bewusstsein auch viel weniger kontrolliert werden. Viele Erlebens- und Verhaltensweisen, die bei der Sucht eine große Rolle spielen, gehören in den Bereich des impliziten Gedächtnisses. Sie laufen automatisch ab, benötigen kein Bewusstsein, sind durch das Bewusstsein und den »freien Willen« schlecht zu kontrollieren.
Wie kann man sich das Suchtgedächtnis vorstellen?
Am Beispiel von Herrn K. erläutern wir, wie man sich das Suchtgedächtnis vorstellen kann (siehe Abb.).
Begibt man sich als Alkoholabhängiger in seine Suchtumgebung – bei Herrn K. ist das z. B. die Kneipe – wird das Suchtgedächtnis aktiviert und es entsteht Suchtdruck, also das Verlangen nach Alkohol.
»Mich überkommt regelrechter ›Saufdruck‹«
Herr K. berichtet: »Wenn ich in eine Kneipe komme, zum Beispiel auch nur um einen Kumpel kurz zu treffen und eigentlich gar nichts trinken will, überkommt mich, wenn ich die anderen da so sitzen und trinken sehe, regelrechter ›Saufdruck‹; ich habe auf einmal ein riesiges Verlangen nach Bier. In dem Moment würde ich alles tun, um eins zu kriegen. Und das Verrückte ist, das passiert sogar, wenn ich nur im Kino oder in einem Fernsehfilm eine Kneipenszene sehe, ich brauche dazu nicht mal selbst in eine Kneipe zu gehen.
Wieso ist das so? Bei Herrn K. ist die Kneipensituation mit ihren unterschiedlichen Sinnesreizen, den Geräuschen, dem Geruch, der ganzen Atmosphäre, zu einem Teil seines Suchtgedächtnissesgeworden. Die Sinnesreize, die ihm Augen und Ohren vermitteln, sind zu Suchtreizen geworden. Sein Körper hat gelernt, in dieser Situation Alkohol zu erhalten. Werden Teile dieses Suchtgedächtnisses aktiviert, wie zum Beispiel durch die Situation in einer Kneipe oder auch nur einer Filmszene, wirddamit auch die körperliche Komponente des Suchtgedächtnisses aktiv: Es entstehen biologische Entzugssymptome: Herr K. wird unruhig, schwitzt, zittert. Auf der psychologischen Ebene entsteht unkontrollierbarer Suchtdruck.
Im Gehirn von Herrn K. haben sich folgende Vorgänge zu einem Suchtgedächtnis verbunden:
Wahrnehmung der Kneipensituation (über das Sehen, Riechen, Schmecken und Hören),
Steuerung der körperlichen Vorgänge der Entzugssymptome wie Zittern, Schwitzen, Bewegungen,
Wahrnehmung und Erwartung der Alkoholwirkung.
Wird das Suchtgedächtnis aktiviert, führt das zu Suchtdruck
Gerät man in eine Situation, in der man normalerweise trinkt oder die einen auch nur daran erinnert, kann Suchtdruck entstehen.
Die besonders bedeutsame Eigenschaft eines Suchtgedächtnisses ist: Wird ein Teil des Suchtgedächtnisses aktiviert, so erhöht
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