Reispudding mit Zimt (German Edition)
Tische besetzt und immer neue Gäste drängen sich an der Tür, um mit enttäuschten Gesichtern fortzugehen, wenn sie merken, dass alle Plätze besetzt sind. Das schlechte Wetter ist sicher zusätzlich Schuld an der drangvollen Enge, denn vor dem Lokal ist eine Terrasse, die aber jetzt nass und leer da liegt.
Meine Aufgabe ist es, die gebrauchten Gläser von den Tischen einzusammeln, kleine Imbisse zu servieren, und zwischendurch Gläser zu spülen. Humphrey zapft das Bier.
Jetzt bin ich froh, dass ich meine „Funktionsschuhe“ habe, denn nach etwa zwei Stunden spüre ich meine Füße und Beine mehr, als mir recht ist. Mein kesser Knoten erweist sich als gänzlich ungeeignet, weil er sich ständig auflöst und wieder hoch gedreht werden muss. Im Spiegel hinter der Bar sehe ich ein Wesen mit roten Wangen und wirrem Haar und erschrecke, als mir klar wird, dass ich das selber bin.
Ich denke gerade: „Wie gut, dass mich Chris so nicht sehen kann“, als ich an einem Ecktisch einen blonden Haarschopf entdecke. An dem breiten Rücken darunter kann man erkennen, dass er definitiv einem männlichen Wesen gehört.
Mein Puls geht schneller. Auf dem fraglichen Tisch steht eine ganze Batterie leerer Gläser. Ich drehe zum tausendsten Mal an diesem Abend meinen Knoten frisch hoch, atme einmal durch, um mich zu beruhigen, schnappe mir ein Tablett und gehe zu dem Tisch.
Chris sitzt inmitten einer fröhlichen Gruppe junger Leute. Sie sehen alle irgendwie nett aus, so wie Typen, mit denen ich mir gut vorstellen könnte, einen lustigen Abend zu verbringen; ein paar Jungen, ein paar Mädels, zwei davon sehen asiatisch aus. „Vielleicht Koreaner oder Japaner“, denke ich mir.
Die Gruppe ist so in ihr launisches Gespräch versunken, dass man mich, die Aushilfe gar nicht wahrnimmt. Mit einem Ohr höre ich, dass es wohl um Musik geht. Jemand sagt etwas über „die Geigen“ und alle lachen sofort. Einer rollt die Getränkekarte auf und trötet ein paar künstliche Trompetentöne hinein, worauf wieder ein heiteres Gelächter losbricht. Mich wundert die gute Laune der Tischgesellschaft nicht. Der Tisch biegt sich unter den Gläsern und ich musst zweimal mit dem Tablett gehen, um ihn leer zu räumen.
Als ich wieder bei Humphrey hinter der Theke stehe, um die Gläser zu spülen, sage ich wie beiläufig: „Na, die scheinen ja gut drauf zu sein.“
„Sind die immer“, erwidert er wortkarg.
Das irritiert mich furchtbar, weil ich vor Neugier natürlich fast platze.
„Wieso 'die'?“, frage ich, „Wer sind 'die'?“
Aber Humphrey brummelt nur etwas von „verwöhnte Snobs“.
Na toll. Er ist definitiv keine Hilfe.
Zum Glück kommt jetzt einer von den Asiaten an die Theke, um eine Runde Bier zu bestellen.
Ich nehme meinen Mut zusammen und frage wie beiläufig: „Ihr seid aber nicht aus Aldeburgh, oder?“
Der Gast sieht mich an. „Du wohl auch nicht“, erwidert er.
„Stimmt. Merkt man das?“
„Klar, sonst wüsstest du warum wir hier sind.“
„Und warum?“
Er sieht mich an, als könnte er meine Blödheit nicht fassen.
„Wegen der AWO, natürlich.“ Dann dreht er sich um und kehrt zu seiner Gruppe zurück.
Der AWO. Hm. Ich überlege, wofür das stehen könnte. Das „O“ ja wohl für Organisation.
Um was für eine Organisation könnte es sich handeln?
Mein Hirn rotiert.
„Alte Weiber Organisation“, nee. Mit Sicherheit nicht.
„Alternative Weltentwürfe“ vielleicht? Da passen die „verwöhnten Snobs“ nicht.
Vielleicht etwas Karitatives? „Arme Wesen“? „Arme Waisen“?
Oder irgendetwas mit „Atomwirtschaft“? Ist hier in der Nähe nicht ein ehemaliges Atomkraftwerk?
Ich frage Humphrey.
Der zuckt nur mit den Schultern und sagt: „Alte Wichser Onanieren?“, dann lacht er laut über seinen „Witz“ und kann sich fast nicht mehr einkriegen.
Oh Mann. Wenn ich nicht in Geldnot wäre, würde ich mit Sicherheit kündigen, denke ich.
Meine Augen streben immer wieder zu dem Ecktisch. Immerhin hat Humphrey gesagt: „Sind die immer.“ Das lässt mich hoffen, dass Chris' Besuch hier kein Ausnahmezustand ist. Was seine Frau wohl dazu sagt? Der kann es doch nicht Recht sein, dass er hier so lange abhängt. Da sind auch ein paar ganz süße Mädels dabei. Eine, mit einem blonden Lockenkopf und einer ziemlich sexy Aufmachung, scherzt und lacht mit ihm unentwegt.
Chris lacht zurück, dass seine Augen und Zähne nur so blitzen.
Mich hat er vorhin kein bisschen wahrgenommen. Ob ich einfach an den
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