Reispudding mit Zimt (German Edition)
Die Probleme, die sich aus dieser Verbindung ergeben könnten, sind gar nicht abzusehen.
„Hörst du überhaupt zu?“ Adrian klingt irritiert. „Ich kann doch wohl erwarten, dass ich, wenn ich dir etwas erklären will, deine volle Aufmerksamkeit genieße.“
Mit einem Riesenschreck realisiere ich, dass der Chef gerade dabei ist, mit etwas zu erklären. Und ich stehe da wie weggetreten. Wie peinlich ist das denn?
„Sorry, Chef“, sage ich kleinlaut. Mein erster Rüffel vom Sternechef. Ich bin geknickt. Ich möchte doch so gerne einen guten Eindruck machen! „Soll nicht mehr vorkommen.“
„Das meine ich aber auch“, brummelt er.
Wir arbeiten weiter. Die Uhrzeit rückt voran.
„Wie viele Tischreservierungen haben wir für heute Abend, Greg?“, fragt er nun den Lehrling.
Gregory lässt seine Arbeit fallen und eilt zum Reservierungsbuch. Er kommt zurück.
„Drei Tische. Ein Zweiertisch, zwei Vierertische.“
Adrian schüttelt den Kopf und kneift die Lippen aufeinander. Ist es, weil sich das Schweinenetz so schwer um den vorzubereitenden Rollbraten ziehen lässt? Ich eile ihm zur Hilfe und assistiere ihm dabei, das störrische Ding um den Braten zu flechten.
Er nickt einen stummen Dank und wendet sich dann seiner nächsten Aufgabe zu.
Ein junges Mädchen schaut in die Küche hinein. „Hallo. Ich bin jetzt hier“, ruft sie.
„Komm nur rein“, sagt Adran geistesabwesend, „Da ist unsere neue Postenchefin, Anna.“ Er nickt in meine Richtung.
Postenchefin. Ich frohlocke wieder heimlich.
Das Mädchen lächelt mir zu. „Hi, Anna. Ich bin Nadine. Ich bin für den Service zuständig.“
„Hi, Nadine. Nett dich kennen zu lernen“, ich lächle zurück, „Du bist wohl die Erste heute Abend. Wann kommen die Anderen?“
Nadine sieht zu Adrian und dann wieder zu mir. „Ich verstehe nicht. Welche Anderen? Haben Sie noch eine weitere Kellnerin eingestellt, Chef?“
Adrian blickt mich verdutzt an. „Nicht das ich wüsste. Wir haben nur die eine Kellnerin, Anna, und das ist Nadine.“
„Ach so“, entgegne ich. Er scheint wieder verärgert zu sein. Mist. Ich will doch so gerne alles richtig machen und irgendwie schaffe ich es, dauernd in irgendwelche unsichtbaren Fettnäpfchen zu treten.
Aber gleichzeitig bin ich verwirrt. Wie ist es möglich, dass eine einzige Kellnerin so ein großes Lokal betreut? Ich bin doch schon mit Humphrey zusammen voll und ganz ausgelastet gewesen, als wir den relativ kleinen Pub betrieben haben. Diese Kellnerin muss ein regelrechtes Naturwunder sein, wenn sie die dreißig Tische, die das Lokal hat, alle alleine bedienen kann.
Es ist nun halb Sieben und Nadine, die übrigens sehr hübsch ist, schlank, langbeinig und mit einem akkurat geflochtenen Zopf im Nacken, bindet sich eine lange weinrote Schürze über ihre schwarze Bluse und den schmalen Rock und verschwindet im Gastraum.
Nach einer kurzen Zeit kehrt sie zurück.
„Der erste Tisch ist besetzt. Sie möchten alle vier die getrüffelten Jakobsmuscheln als Vorspeise, dann einmal das Rinderfilet mit Pfefferkruste, einmal das Pilzrisotto von Totentrompeten und zweimal den Kapaun auf Fenchelkrem. Zum Nachtisch die Ricotta-Törtchen mit Kumquatkompott.“
Nun geht es in unserer Küche rund. Dies ist ganz etwas Anderes, als das simple Fischbraten bei Freddy. Es ist auch anders, als das Kochen in Gladys Küche, wo man ja nur ein Gericht auf einmal fertigstellen muss und sich ganz darauf konzentrieren kann.
Adrian regiert in der Küche und bellt Befehle. Gregory und ich versuchen alles so schnell wie möglich auszuführen. Ich darf das Risotto rühren und die Fenchelkrem herstellen, während Gregory dem Chef ständig zur Hand gehen muss und ihm alles anreichen muss, wonach er verlangt.
Ab und zu riskiere ich ein Auge auf das, was der Chef macht. Ich will mir schließlich möglichst viel abgucken und etwas lernen. Er zaubert wahre Kunstwerke auf die Teller. Die Jakobsmuscheln werden liebevollst auf kleine asymmetrische Teller drapiert. Darum herum kommt ein Kranz feinst geschnittener Spargelscheibchen, die vorher noch in einer Pfanne kurz geschwenkt worden sind. Eine sahnige Creme wird eigens angerührt und vorsichtig auf die gebratenen Muscheln aufgehäufelt. Kleine Dillzweiglein werden einzeln auf diese Cremeschicht angeordnet. Adrian scheint ganz versunken zu sein. Er beugt sich über jeden Teller tief herab und arbeitet mit einer ungeheuren Konzentration. Dieser wahnsinnige Drang zur Perfektion ist es wohl, der ihn
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