Reispudding mit Zimt (German Edition)
schlaftrunken an.
„Ich weiß, Gladys, aber es geht jetzt nicht. Ich muss wirklich los. Ich kann dir nur Eines sagen: es war die Hölle. Mehr erzähle ich später.“ Dann verschwinde ich im Bad.
„Ach ja“, ruft sie mir durch die Tür zu, „da war ein junger Mann. Er sagte er würde dich um Zwölf dort abholen. Irgendetwas mit Essen-Gehen oder so.“
„Groß und blond?“, rufe ich zurück.
„Sehr groß und blond und toll“, ruft Gladys zurück.
Chris. Ach wie freue ich mich schon darauf, ihn zu sehen.
Ich klingle an der Tür des „Seaview“. Keine Antwort. Gregory ist wahrscheinlich gar nicht da. Er hat heute ja frei. Wahrscheinlich liegt er schon am Strand und sonnt sich. Oder er liegt, ähnlich wie ich vor einer halben Stunde, noch halbtot in seinem Bett, der Arme.
Ich klingle wieder. Keine Antwort. Was jetzt? Soll ich einfach wieder gehen?
Ich gehe um das Gebäude herum. Auf dem Spielplatz buddeln die Zwillinge. Liz sitzt auf einer Bank und liest.
Ich gehe zu ihr hin.
„Hallo, Mrs. Grantley“, sage ich. Ich kann Chris' Stiefmutter nicht gut mit 'Liz' ansprechen, denke ich.
Sie kneift ein Auge zu, gegen die Sonne, und sieht von ihrem Buch hoch.
„Hi. Kennen wir uns?“
„Ja. Ihr Stiefsohn hat mir mit Ihrer Augenbrauenpinzette das Leben gerettet.“
„Ach so“, ich sehe, wie es ihr dämmert, „du bist die Fischbräterin mit dem grätigen Fisch.“
Ich habe gute Lust zu protestieren, aber will mich nicht mit ihr anlegen. Deshalb lächle ich nur gequält und erwidere: „Nicht mehr. Jetzt bin ich der neue Chef de Partie von Ihrem Mann.“
Ihr Kiefer geht herunter. „Ist das wahr? Der Chef de Partie? Na, das nenne ich mal einen Karrieresprung. Weiß mein Mann eigentlich, dass du vor Kurzem noch am Schnellimbiss gearbeitet hast? Irgendwie passt das nicht zum Niveau unseres Hauses.“
Jetzt spüre ich, wie ich doch zornig werde. Gestern haben Gregory und ich ihren Laden noch vor der Fast-Katastrophe gerettet und jetzt werde ich hier so herablassend behandelt.
Ich zähle bis Zehn und sage dann: „Die Schnellimbiss-Arbeit war nur zur Überbrückung einer arbeitslosen Zeit. Ich denke nicht, dass ich mich dafür schämen muss.“
Sie sagt: „Nein, nein. Ist schon gut. Anscheinend bist du auch ganz tüchtig. Ich meine, mein Mann hätte gestern so etwas gesagt.“
Ich atme auf. Das ist schon viel besser.
Jetzt fragt sie: „Und was kann ich für dich tun?“
„Ihr Mann hat mich heute hier her bestellt. Er wollte mit mir über das Restaurant und über meine Arbeit sprechen.“
„Och, ist das wahr? Na, da scheint er das wohl vergessen zu haben. Er ist vor einer Stunde mit einem Kumpel zum Fischen gefahren.“
Ich sehe sie ungläubig an. Na toll. Das ist mal ein guter Anfang.
Liz sieht meine Irritation und sagt daraufhin: „Tja, das ist jetzt natürlich blöd für dich, tut mir Leid. Du musst aber verstehen, dass mein Mann diese kleine Auszeit ganz dringend braucht. Er arbeitet sich im Restaurant zu Tode. Die Erholung tut ihm gut. Da kann er neue Energie tanken und sich neue Inspirationen für seine Kreationen einfallen lassen.“
Mir fällt nichts mehr ein. Ich entgegne nur: „Ja, dann grüßen Sie ihn bitte und sagen Sie ihm, dass ich Morgen pünktlich zum Dienst erscheinen werde. Vielleicht hat er dann etwas Zeit, um alles Nötige mit mir zu besprechen.“
Ich sehe auf meine Armbanduhr. Es ist mittlerweile halb Zwölf. Wie soll ich es jetzt halten? Wenn ich hier am Restaurant herumlungre, um auf Chris zu warten, wird Liz sofort mitbekommen, wie es um uns steht. Unter Umständen wäre das Chris nicht Recht, und mir eigentlich auch nicht.
Also wende ich meine Schritte hinunter zum Strand. Hier ist man etwas abseits vom Hauptstrand, weil der Dorfkern ein ganzes Stück weiter nach Norden liegt. Ich suche mir einen netten Fleck auf den Kieseln, breite meinen Pulli, den ich über den Schultern getragen habe, darauf aus und lege mich hin. Die Steine sind zwar hart und knubbelig unter mir, haben aber vom Sonnenlicht Wärme getankt und fühlen sich an, wie eine wohlige Heizdecke. Über mir drehen ein paar kreischende Möwen ihre Kreise im blauen Himmel. Ich schließe die Augen und lausche dem regelmäßigen Plätschern der Wellen auf dem Strand. In der Ferne hört man das fröhliche Rufen und Lachen der Badegäste am Hauptstrand.
Ich weiß nicht, wie lange ich so da liege. Ich weiß nur, dass ich fest eingeschlafen sein muss.
Das merke ich erst, als ein Schatten über mich
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