Reispudding mit Zimt (German Edition)
meine Arbeit.“
„Ja“, sagt Chris, „und wenn mein Vater mit mir über das Restaurant sprechen will, dann weigere ich mich, mit ihm darüber zu reden.“
Er bleibt stehen und tritt mit einem Fuß in die Kieselsteine, so dass einige davon in die Luft fliegen und klappernd wieder herunter fallen. „Im Prinzip würde das sowieso nicht weiter auffallen. Wir reden seit Jahren nicht mehr über seine Arbeit.“
„Wieso?“, frage ich.
Ein Schatten fällt über sein Gesicht. „Warum wohl? Weil er natürlich wollte, dass ich den Betrieb übernehme. Ich bin sein einziges Kind. Wenn nicht ich, wer dann?“
„Und du wolltest nicht?“
„Nein. Ich wollte schon als ganz kleiner Kerl die Tuba spielen. Von dem Moment an, als ich mit meinen Eltern in meinem ersten Konzertbesuch war, hatte ich mich in das Instrument verliebt. Es ist so herrlich riesig, es besteht aus soviel blitzendem Messing, und erst der Klang! Kein Instrument im ganzen Orchester hat so eine Präsenz wie die Tuba. Zum Glück war meine Mutter musikalisch und hat meinen Wunsch unterstützt. Meine Eltern haben sich deswegen immer wieder gestritten. Mein Vater meinte, sie wäre Schuld daran gewesen, dass ich der Musik den Vortritt gegeben hätte und die Arbeit im Restaurant abgelehnt hätte.“
Ich lege eine zärtliche Hand auf Chris leicht stoppelige Wange.
„Du weißt nicht, wie gut ich dich verstehe. Ich habe genau dasselbe Problem mit meinem Vater. Er ist auch nicht zufrieden mit meiner Berufswahl.“
Ich erzähle ihm davon, wie ich von zu Hause abgereist bin, weil ich das Genörgel meines Vaters nicht mehr ertragen konnte, und wie ich hier in Aldeburgh gelandet bin.
Wir machen irgendwann kehrt und gehen den Strand entlang zurück. Die Sonne geht unter und wirft rote Lichter auf die Wellen. Die Badegäste packen ihre Badetaschen und falten ihre Strandlaken zusammen. Unser Weg führt an Claras Terrasse vorbei.
Ich habe meine Tante in den letzten Wochen so ziemlich vergessen, aber jetzt höre ich, wie sie nach mir ruft und sehe, dass sie winkt, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.
„Hallo, Anna“, ruft sie, „willst du nicht Guten Tag sagen?“
Mist. Jetzt sieht sie Chris. Das fehlt mir noch.
„Jemand, den du kennst?“, fragt Chris.
„Ja“, sage ich, „meine Tante.“ Ich versuche mein Gesicht abzuwenden und so zu tun, als hätte ich sie nicht gehört, aber Clara ist hartnäckig.
„So sei doch nicht so stur und komm her“, ruft sie.
Ich mache ein Gesicht.
Chris sagt: „Warum nicht? Ich würde sie gerne kennenlernen.“
„Aber ich möchte nicht, dass sie dich kennenlernt“, murmle ich.
„Hm, nicht sehr schmeichelhaft für mich“, lacht Chris.
Während wir uns ihrem Haus nähern, raune ich Chris zu: „Sie ist die direkte Urwaldtrommel zu meinem Vater. Wenn der weiß, dass ich jetzt zu allem Überfluss auch noch einen Freund habe, kriegt der die Krise.“
Schon stehen wir vor Clara. Sie trägt ein weites, geblümtes Sommerkleid und einen Strohhut.
„Kommt doch auf die Terrasse“, bettelt sie, „Ich hol uns auch einen schönen Wein und wir machen es uns gemütlich.“
Chris schubst mich sanft zu ihr hin. „Das würden wir sehr gerne.“
Ich kneife ihn hinten in den Oberschenkel, aber weil der so muskulös ist, spürt er das wahrscheinlich noch nicht einmal.
Kurz darauf sitzen wir auf der Terrasse, jeder ein funkelndes Weinglas vor sich, und sehen aufs Meer hinaus.
„Schön hier bei Ihnen“, sagt Chris und sieht zufrieden in die Runde.
„Willst du mir nicht deinen Freund vorstellen?“, fragt Clara.
Nein, nicht wirklich, denke ich, tu es aber dann doch.
„Meine Nichte ist nämlich sehr eigen, wissen Sie“, sagt Clara zu Chris. „sie hat einen ziemlich dicken Schädel. Wir haben uns vor einigen Wochen ein wenig gekäbbelt …,“(Aha, denke ich, so sieht das auf einmal aus), „...und da hat sie einfach ihren Koffer gepackt und ist gegangen.“
Chris sieht mich verschmitzt an, sagt aber nichts dazu.
Ich sitze nur mit finsterer Miene da und wünsche mich sonst wo hin. Gerade vorher hatte ich Chris davon erzählt, wie schwierig es mit meinem Vater ist, und dass ich froh bin, in England zu sein und jetzt habe ich mit Clara wieder einen Geschmack davon, wie furchtbar es ist, wie ein Kleinkind behandelt zu werden, und das auch noch vor meinem Schwarm.
Ich stelle meine Ohren auf Durchzug und lasse die beiden plaudern. Stattdessen kippe ich meinen Wein schnell in mich hinein. Je eher das Glas leer ist, desto
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