Reispudding mit Zimt (German Edition)
gerührt. Einerseits ist dieses Lob aus diesem Mund der Traum eines jeden Kochaspiranten. Aber in dieser speziellen Situation ist es einfach einen Riesenpeinlichkeit für mich. Am liebsten würde ich mich irgendwo verkriechen.
Doch jetzt zeigt Adrian beachtliche Charaktergröße. Er bedankt sich für das Lob. Dann sagt er: „Das freut mich, das Ihnen wenigstens etwas an dem Essen gefallen hat. Aber die Ehre gebührt in diesem Fall meiner Postenchefin. Das Dessert hat sie zubereitet.“
Ron dreht sich zu mir um. „Ach tatsächlich? Hut ab, junge Frau. Ich denke, Sie werden Ihren Weg schon machen.“
Wow. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Wie toll war ist denn? Und doch ist ein Wermutstropfen in der Freude. Gerade, weil ich selber so gerne koche und mich über solch ein Lob freue, kann ich nachvollziehen, wie Adrian im Moment zumute sein muss.
Deshalb sage ich rasch: „Danke, aber es wäre mir nicht möglich gewesen, dieses Dessert zuzubereiten, wenn Mr. Grantley mir nicht die Chance gegeben hätte, es auszuprobieren.“ Das klingt zugegebenermaßen etwas schlapp, aber Adrian bedankt sich bei mir mit dem Hauch eines Lächelns. Ein bisschen erinnert er mich in dem Moment an Chris.
Ron Grimstone beehrt unser Restaurant ganze sieben Tage.
In dieser Zeit krempelt er alles von Grund auf um.
Er setzt sich mit Adrian zusammen und entwickelt gemeinsam mit ihm eine neue Speisekarte. Die ist ganz nach meinem Herzen. Die vielen, vielen komplizierten Gerichte werden vereinfacht oder ganz gestrichen. Es gibt im Ganzen nur drei verschiedene Vorspeisen, vier Hauptspeisen und zwei Desserts. Eins davon ist mein Reispudding. Die fertige Speisekarte hat nur fünf Seiten und ist leicht und handlich.
Dann zieht er mit uns los und erforscht, wo man günstige und hochwertige Rohwaren für die Speisen kaufen kann. Der Bioladen in der Altstadt ist nicht dabei, genau wie ich es erwartet habe.
Als Nächstes kocht er uns vor und kocht dann mit uns. Er zeigt uns, wie wir die Speisen auf der Karte schnell und schmackhaft zubereiten können. Sogar auf die Präsentation auf dem Teller geht er ein.
Gregory und ich prägen uns alles fleißig ein, damit wir es genauso nachmachen können, wie Ron Grimstone es uns gezeigt hat. Adrian, hingegen, wirkt oft irgendwie
geistesabwesend und unbeteiligt. Ich denke mir, dass er wohl davon ausgeht, dass Gregory und ich schon alles mental abspeichern werden.
Dann, am siebten Tag, laden wir ganz Aldeburgh zu einem großen Fest ein, bei dem man für einen Spottpreis die neuen Gerichte kennenlernen kann. Ron wirbt dafür in der Presse und auf der Straße. Gregory und mich schickt er mit Handzetteln los, damit wir auch jeden Tourist am Strand erreichen.
Die Atmosphäre im Restaurant hat sich unter Rons Einfluss um 180 Grad gedreht. Es ist eine leichte, fröhliche Heiterkeit zu spüren, ein Gefühl von „wir packen das“, das wie feine Statik ständig um uns herum knistert.
Gregory und ich sind uns einig, dass uns dieser neue Aufbruch einen riesigen Spaß macht. In den wenigen Tagen mit Ron lernen wir unendlich viel über Kochen und Gastronomie, wie in einem Intensivkurs. Und weil wir beide beide jung und hoffnungsvoll sind, saugen wir dieses neue Wissen auf wie zwei sehr durstige Schwämme.
Adrian ist eher schweigsam. Er lässt alles um sich herum geschehen, aber manchmal denke ich mir schon, dass er auch ein wenig mehr Begeisterung und Einsatz zeigen könnte. Es geht doch schließlich um viel mehr für ihn, als für uns. Wir denken nur daran, dass wir dieses Restaurant mögen und es gerne wieder flottmachen wollen. Für ihn geht es doch wirklich fast um „Leben und Tod“, so wie wir es beinah in unserem Hilferuf an Ron geschrieben haben.
Der große Abend der neuen Menü-Präsentation kommt. Die Gäste sind schon im Vorfeld gebeten worden, Tische zu reservieren, und jeder einzige Platz ist gebucht. Es ist der Wahnsinn! Das 'Seaview' wird endlich einmal wieder so voll sein, wie in seinen besten Tagen.
Nadine hat sich umgesehen und aus ihrem Bekanntenkreis drei weitere Kellnerinnen organisiert. Alleine kann sie das Servieren sonst nicht bewältigen.
Wir in der Küche machen uns schon die allergrößten Sorgen, wie wir mit der erheblichen Arbeitsmenge klarkommen werden.
Da steht am Morgen des großen Tages mit einem Mal ein kräftiger kleiner Mann in der Küche. Seine roten Haaren sind zu einem kurzen Bürstenschnitt gestutzt. Ohne viel Worte zieht er sich eine Kochuniform über und
Weitere Kostenlose Bücher