Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Sie hat sich gut um mich und die Jungs gekümmert. Ich hab nicht gewusst, dass sie krank war. Das Herz, wissen Sie? Sie war beim Arzt deswegen, aber sie hat keinen Ton gesagt. Wollte niemand belasten. Jetzt kann ich mich daran erinnern, dass sie oft müde ausgesehen hat. Aber damals ist mir das nicht aufgefallen. Da lebt man jahrelang mit jemand zusammen und kriegt so was nicht mit. Können Sie sich das vorstellen?“
Betroffen starrte Leni vor sich hin. Sie hatte auch gedacht, bei ihr sei alles in schönster Ordnung.
„Sie müssen sich nichts vorwerfen. Wenn jemand etwas verheimlichen will, dann hat man keine Chance.“
„Das hat der Doktor auch gesagt.“
Nachdenklich drehte Arthur die Kaffeetasse auf dem Unterteller hin und her.
„Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das erzähle. Es geht Sie ja gar nichts an. Ich will Sie nicht mit meinen Problemen belästigen.“
„Das ist völlig in Ordnung. Es gibt Dinge, die sind so schlimm, dass sie einem den Hals zuschnüren. Und dann müssen sie heraus.“
Leni war zum Heulen zumute, wenn sie an ihr eigenes Elend dachte, aber dann schämte sie sich. Es gab weitaus Schlimmeres als einen treulosen Ehemann. Sie räusperte sich.
„Sie haben Kinder, haben Sie gesagt?“
„Ja, zwei Söhne. Das hab ich auch vermasselt.“
Er trank wieder einen Schluck Kaffee.
„Ich konnte das alles nicht ertragen, die Beerdigung, die Beileidssprüche, die vielen Leute. Und als Peter mich dann trösten wollte, es ging einfach nicht. Regelrecht rausgeworfen habe ich sie, alle beide. Das war nicht schön von mir.“
„Ich bin sicher, dass Ihre Söhne das verstehen. Wohnen sie weit weg?“
Endlich kann er ein wenig aus seiner Lethargie heraus.
„Max ist mein Ältester. Er wohnt in Norddeutschland. Hat dort eine gute Stelle im Verkauf. Der fühlt sich wohl da. Eine Freundin hat er auch, ganz nettes Mädel. Und Peter, ja, der ist sehr weit weg. Er ist Schreiner, genau wie ich. Ausgerechnet Kanada hat er sich ausgesucht, viel weiter geht’s nicht. Er hat es uns erst gesagt, als bereits alles entschieden war. Das mit dem Auswandern, meine ich. Aber so war er schon immer, hat nie viel geredet. Sein Ding durchgezogen, so sagt man doch?“
Leni nickte lächelnd.
Er lächelte auch, noch ein bisschen zaghaft.
„Sie sind bestimmt sehr stolz auf ihre Beiden.“
Er nickte.
„Das wird sich wieder einrenken, ganz bestimmt“, sagte sie mit Überzeugung.
Einträchtig tranken sie ihren Kaffee, dann stand Arthur auf und holte eine Tablettenschachtel aus einer Schublade. Er warf sie auf den Tisch.
„Dieses Zeug hat mir der Arzt verschrieben. Hab so was nie gebraucht vorher. Als Sie angerufen haben, war ich total neben der Kapp.“
Leni warf einen Blick auf die Packung.
„Schlaftabletten. Ach so, jetzt verstehe ich. Sie haben sich angehört wie ein Zombie.“
Er war vielleicht doch ganz normal, nur momentan nicht gut drauf. Plötzlich fiel ihr wieder ein, weshalb sie gekommen war.
„Wegen der Untervermietung“, begann sie vorsichtig.
„Ach ja, daran hab ich gar nicht mehr gedacht. Entschuldigen Sie.“
„Sie müssen sich nicht dauernd entschuldigen. Ich würde vorschlagen, dass wir ein anderes Mal darüber reden. Wenn es Ihnen besser geht.“
Er schien erleichtert. Leni zückte ihren Block.
„Ich schreibe Ihnen meine Telefonnummer auf, dann können Sie mich anrufen, und wir machen einen neuen Termin aus. Das heißt, wenn Sie überhaupt noch jemand zur Untermiete wollen.“
Erwartungsvoll sah sie ihn an.
„Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht“, gestand er. „Das war alles etwas viel in letzter Zeit. Irgendwie komme ich mit nichts mehr klar.“
Er sah sie hilflos an.
„Und da ist ja auch noch der Garten. Dem bekommt das gar nicht, dass sich niemand kümmert.“
„Dem Haus auch nicht.“
Das hatte sie gar nicht sagen wollen.
„Die Küche, ich weiß.“
Leni stand auf.
„Wissen Sie was? Wir vertagen uns und denken noch mal über das Ganze nach. Rufen Sie mich an, wenn Sie soweit sind.“
War es ratsam, hier einzuziehen? Dieser Herr Winkler war zwar ganz nett, aber Leni hatte genug eigene Probleme. Vielleicht sollte sie sich besser nicht noch mehr aufhalsen.
Kurz vor ihrem Haus blieb Leni wie paralysiert stehen. Thomas! Das Geld! Sie hatte das total verdrängt. Da stand ihr ja noch was bevor. Sie tastete in ihrer Jackentasche nach dem Handy und wappnete sich für den Showdown.
Sein Auto stand nicht in der Einfahrt. Vielleicht kam sie zumindest heute
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