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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Anfängen der Erforschung des Kongo zurück. Zum ersten Mal wurde er in den Berichten des französischen Missionars Abbé Proyart erwähnt, 1776 war das. Danach noch etliche Male von Forschern, hauptsächlich Deutschen wie Hans Schomburg, Carl Hagenbeck und Joseph Menges, die die Gegend durchquerten. Ich habe dir alles ausgedruckt, damit du dich im Flugzeug nicht langweilst. In den Zwanzigerjahren wurden einige Expeditionen gestartet, die ausschließlich dem Ziel dienten, Mokéle zu finden. Doch wirklich gesehen hat ihn niemand. Die ganzen Berichte beruhen auf den Aussagen von ortsansässigen Pygmäen. Man hat ihnen Bilder verschiedener großer Tiere vorgelegt, über die sie heftig diskutierten. Doch so richtig in Fahrt kamen sie erst, als man ihnen einen Bildband mit Sauriern vorlegte. Beim Anblick einer Illustration von Parasaurolophus waren sich alle einig. Das war Mokéle m’Bembé. Immer wieder wurde es als riesiges Monster beschrieben, halb Nashorn, halb Drache, mit einer Körperlänge von fünf bis zehn Metern.«
    Ich nickte. »Die haben wahrscheinlich nur den Kopf oder Teile des Oberkörpers gesehen und das Horn als Teil eines Nashornschädels identifiziert. Vermutlich verlässt das Tier so selten das Wasser, dass man nie den gesamten Körper zu Gesicht bekommt. Vielleicht haben sie auch Jungtiere beobachtet.«
    »Dann würden die Spuren, die man gefunden hat, von ihnen stammen. Man fand Trittsiegel mit einem Durchmesser von neunzig Zentimetern und einem Abstand von zwei Metern, was auf ein relativ kleines Tier hindeutet. Wie dem auch sei, eine ganze Zeit wurde es dann still um den legendären Kongosaurier, bis die Amerikaner und Japaner Interesse zeigten und eigene Expeditionen organisierten. Zwischen 1972 und 1992 starteten nicht weniger als zehn Teams in diese Region, die jedoch nicht mehr mitbrachten als einige seltsame Fotos und einen verwackelten Film. Das war’s. Ich habe das Gefühl, da wurde viel Zeit und Geld verpulvert.«
    Ich strich mir übers Kinn, als ich die Papiere überflog. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Alle Quellen berichten übereinstimmend, seltsame Geräusche gehört zu haben. Geräusche, die keinem anderen Großtier dieser Region zuzuordnen sind. Man fand Fußspuren und Schneisen im Wald, die nur von einem riesigen Lebewesen stammen konnten. Alles in allem sehr mysteriös. Hätte ich nicht den Film bei Mrs. Palmbridge gesehen, ich würde glauben, einem gewaltigen Betrug auf der Spur zu sein. Aber ich habe ihn gesehen, und die Bilder lassen keinen Zweifel. Ich hab’s oft versucht, glaub mir. Hast du sonst noch etwas herausgefunden?«
    »Nichts über Mokéle.«
    Ich trank enttäuscht den letzten Tropfen aus meinem Champagnerglas. »Schade.«
    »Es gibt aber etwas Interessantes über den See zu berichten.«
    Sie sah mich mit ihren grünen Augen an.
    »Erzähl.«
    »Nicht hier.«
    Ich blickte erstaunt in ihr Gesicht und sah ein schelmisches Grinsen. »Was soll das heißen: nicht hier? Sind die Informationen top secret? Werden wir etwa von Herren mit schwarzen Sonnenbrillen beobachtet?«
    »Das nicht gerade.«
    »Aber was ist es dann? Ich verstehe nicht …«
    » Brauchst du auch nicht. Lass dich einfach überraschen. Ah, ich glaube, da kommt unsere Vorspeise.«

11
    Gegen elf zahlte ich. Wir verließen das Restaurant und stiegen in das Taxi, das bereits seit mehreren Minuten auf uns wartete. Die Fahrt in Sarahs Wohnung im Londoner Stadtteil Bethnal Green, in der Nähe des Victoria Parks, dauerte etwa zwanzig Minuten. Schon während der Fahrt hatte ich das Gefühl, dass Sarah mich nicht nur mit Informationen versorgen wollte. Immer wieder kam es zu zarten, beinahe zufälligen Berührungen, die für sich genommen vielleicht nichts bedeutet hätten. Aber mit der Art, wie sie dabei ihre Beine übereinander schlug und mich ansah, sprachen sie eine eindeutige Sprache. Es war ganz klar, wie sich der Abend in ihren Augen entwickeln sollte, und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Unter anderen Umständen wäre ich mit einer solchen Frau an meiner Seite der glücklichste Mann der Welt gewesen. Aber an diesem Abend war es für mich die reine Qual. Als wir ankamen und ich den Taxifahrer bezahlt hatte, war ich froh, der Enge des Autos entfliehen und etwas Abstand zwischen mich und Sarahs Avancen bringen zu können.
    Ich streckte mich und blickte nach oben. Die schneegefüllten Wolken hatten einem sternenklaren Nachthimmel Platz gemacht. Es war windstill. Frost lag in der Luft. In

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