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Revolution - Erzählungen

Revolution - Erzählungen

Titel: Revolution - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbo
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Wartezimmer, bevor ich an einen Arzt verwiesen werde. Ich hole mein Geld aus der Tasche und bezahle die Untersuchung. Er fragt. Ich erkläre ihm den Schmerz, zeige, wo er ist, erzähle, wie er kommt.
    Eine mzungu -Frau kommt ins Zimmer. Sie ist hell wie ein Engel und hat lange Beine wie eine Massai. Die Frau trägt einen weißen Krankenhauskittel und grüßt den gierigen Arzt auf Englisch.
    »Du musst sehr viel Wasser trinken«, sagt der Arzt zu mir.
    »Wasser? Warum?«
    »Deine Nieren sind geschrumpft.«
    »Die Nieren?«
    »Trinkst du nur wenig Wasser?«
    »Gutes Wasser ist teuer«, antworte ich. »Und das billige ruiniert den Magen. Aber ich trinke Wasser.«
    »So viel, dass du mehrmals am Tag pinkeln musst?«
    »Nein, ich pinkele nicht. Nur sehr wenig. Meist schwitze ich.«
    Er erklärt mir, dass das Wasser, was ich trinke, durch meine Nieren geht, und wenn ich pinkele, wird ein Gift aus meinem Körper abtransportiert. Pinkele ich nicht, bleibt das Gift in den Nieren und wird zu einem Stein. Jetzt muss ich wie ein Elefant trinken, um die giftigen Steine aufzulösen und herauszupinkeln.
    »Wenn die Schmerzen bleiben und du Fieber bekommst, musst du wiederkommen – dann muss ich dich aufschneiden«, sagt er. Wiederkommen? Wenn ich für das Schneiden auch bezahlen soll, dann muss ich so viel hungern, dass ich bereits vorher tot sein werde.
    »Hast du Geld?«, will er wissen.
    »Mehr Geld?«
    »Nein, nicht für mich. Aber dann könntest du ein paar Tage in Moshi bleiben. Und ständig Wasser trinken.«
    »Ich kann bis übermorgen bleiben.«
    »Eine Unmenge Wasser«, sagt der Arzt noch einmal. »Fertig.« Er klatscht in die Hände und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Ich bleibe sitzen. »Du kannst gehen«, sagt er.
    »Und was ist mit einer injection ?« Schließlich bin ich krank, ich muss behandelt werden.
    »Eine injection hilft nicht gegen Nierensteine«, erwidert der Arzt. Tsk , er ist Arzt. Er soll den Kranken helfen, aber er wollte mich nicht anfassen, bevor seine Hand Geld bekam, und jetzt will er auch noch an der injection sparen. Er redet nur von Wasser. Nicht einmal Medizin in Form von Tabletten will er mir geben. Das ist totaler Schwindel.
    Die weiße Frau stellt dem Arzt auf Englisch eine Frage, die ich nicht verstehe. Der Arzt breitet die Arme aus und schüttelt den Kopf bei seiner Antwort. Die Frau sagt noch etwas und lächelt. Der Arzt sieht mich an. »Sie gibt dir die injection «, sagt er, steht auf und geht. Sie kommt zu mir.
    »Ich soll machen injection bei dir«, sagt sie in hoffnungslosem Swahili. Ihr Duft ist eine sehr besondere Blume. Sie holt die Nadel, bereitet sie vor. Ahhh , der weiße Engel hat den gierigen bwana mkubwa fortgeschickt – jetzt repariert sie mich. Sehr gute injection , direkt in den Arm. Ich spüre bereits, wie es mir besser geht.
    »Vielen Dank, mama .« Sie ruft eine schwarze Krankenschwester, die für sie übersetzen soll.
    »Du musst viel Wasser trinken. Jeden Tag musst du mindestens drei Mal pinkeln – dann wird diese injection ewig wirken«, erklärt mir die schwarze Krankenschwester.
    »Brauche ich noch weitere injections oder Tabletten?«
    »Nein. Das ist eine ganz neue injection aus den USA .«
    » Ahhh , USA !« Ich nicke den beiden zu. Die mzungu -Frau lächelt. Aus den USA kommen all die guten Sachen: Donna Summer, Marlboro, gute Medikamente. Die schwarze Krankenschwester sorgt dafür, dass ich sauberes Wasser trinke. Ich bekomme einen Kanister. Ich kann mir an einem besonderen Hahn so viel holen, wie ich will; dort ist das Wasser auf wissenschaftliche Art gereinigt. Ich trinke Wasser. Mein Bauch ist wie ein Ballon. Ich pisse wie ein Elefant. Von hier aus könnte ich in sechs Stunden in Rongai sein. Bei meiner Mutter und meinen Schwestern. Nach acht Jahren komme ich mit einer Enttäuschung nach Hause. Ich werde von Mutters Tränen empfangen. Sie haben fast nichts. Sie werden es mit mir teilen. Und ich müsste zu Fillemons Mutter gehen und ihr erzählen: Erst hat dein Sohn ein Auge verloren. Dann starb er unter Schutt. Er wurde an die Erdoberfläche gebracht und nicht tief genug begraben. Er endete als Mahlzeit für die wilden Tiere.
    Ich schlafe im Schuppen. Trinke weiter. Ich kaufe Kanister und fülle sie mit Wasser. Ich schleppe Wasser mit in den Bus. Ich komme mit zwanzig Litern Wasser nach Mererani Township und fahre per Anhalter nach Zaire.
    »Ich muss mehr Wasser trinken«, erkläre ich Shirazi.
    »Wasser? Wir haben nicht einmal etwas zu essen.« Mama

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