Richard Dübell
Landshuter«, sagte Peter.
»Als Mitgift waren Geld und Geschmeide ausgehandelt worden. Ein Teil davon war der Hochzeitsschmuck, den Hedwig auf dem Brautporträt trägt. Der Schmuck reiste in der Aussteuertruhe mit, der Brautzug wurde von König Kasimir persönlich bis nach Wittenberg begleitet, wo der junge Herzog Georg seine Braut übernehmen sollte.«
Peter nickte und ergänzte: »Aber Georg hatte keine Lust oder keine Zeit für die lange Reise nach Wittenberg und schickte einen Abgesandten, was einen Vertragsbruch darstellte, denn im Hochzeitsvertrag war klar geregelt, dass König Kasimir seine Tochter nur an deren Bräutigam übergeben sollte. Das ist eine Version der Geschichte, die man im Heimatkundeunterricht nicht lernt, auch wenn man in Landshut zur Schule geht.«
»Ich hab sie auch nicht gekannt«, bestätigte Harald, und es klang zur Abwechslung nicht herablassend oder feindselig. »Ich hab das alles erst kürzlich nachrecherchiert. König Kasimir übergab seine Tochter an den Landshuter Abgesandten und reiste zurück, aber nicht ohne einen Riesenstreit vom Zaun zu brechen und zu drohen, dass er den Hochzeitsschmuck wieder mit zurücknehmen würde. Darüber gibt es noch erhaltene Protokollnotizen. Was allerdings aus dem Schmuck wurde, lässt sich nirgendwo feststellen. Allgemein wurde angenommen, dass er später eingeschmolzen oder verkauft wurde, um den Erbfolgekrieg zu finanzieren, den Landshut gegen die Münchner Verwandtschaft führte und verlor. Die Klunker hatten schon damals einen erheblichen Wert. Die Mitgift sollte die Hälfte der Hochzeitskosten finanzieren …«
»… die nach heutigem Geld dreizehn Millionen Euro betrugen«, sagte Peter.
»Und was ist wirklich geschehen?«, fragte Flora.
»Keiner weiß es. Sicher ist nur, dass der Schmuck vor einem guten Jahr in einem vergessenen Archiv in Krakau gefunden wurde. Angeblich hat es schon vor zehn Jahren Gerüchte um die Entdeckung des Geschmeides gegeben, und angeblich wurde der Fund von der damaligen polnischen Regierung totgeschwiegen, weil man wegen der seinerzeitigen Kontroversen um den deutschen Vertriebenenbund fürchtete, es würden Ansprüche auf den Schatz angemeldet und die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen noch mehr strapaziert. Wie auch immer, letztes Jahr wurde die Entdeckung amtlich, und ein Kulturprojekt wurde ins Leben gerufen. Vorigen Herbst gab es eine Ausstellung in Krakau, im Frühjahr kamen die Klunker nach Wittenberg, und jetzt werden sie in Landshut gezeigt.«
Peter erwiderte nichts darauf. Ihm war eben aufgegangen, dass er und Harald sich wie zivilisierte Menschen unterhielten und dass Harald viel von seinem arroganten Superpolizistengehabe verlor, wenn er über die Fakten seines Falls referierte. »Ich beginne zu verstehen, warum für einen Museumsraub eine SOKO gegründet wurde«, sagte Peter.
»Das ist eine hochpolitische Angelegenheit«, bestätigte Harald. »Nach dem Überfall auf das Wittenberger Museum beschloss man, sicherheitshalber Kopien des Schmucks anfertigen zu lassen und, abgesehen von einigen wichtigen Terminen, hauptsächlich diese auszustellen. Die Kopien werden je zur Hälfte vom Freistaat Bayern und von der Republik Polen finanziert.«
Peter sah Harald überrascht an. »Der Juwelier in München!«
»Richtig. Blofeld hat den Juwelier zu Hause überfallen, wo dieser an den Kopien arbeitete.«
»Wie kam es zu der Geiselnahme?«, fragte Flora.
Robert Kalp holte Atem, aber Harald kam ihm zuvor. »Der Juwelier hatte einen Notrufknopf. Wir haben noch nicht rausbekommen, wer von der Familie ihn gedrückt hat. Hat dem armen Schwein auch nichts genützt – Blofeld hat ihn eiskalt umgelegt.«
»Vielleicht hat Blofeld ja den Notrufknopf selbst gedrückt?«, überlegte Flora laut.
Harald musterte seine Exfrau. »Wie kommst du darauf?«
»Um das nötige Chaos zu verursachen, das immer entsteht, wenn das Geiselszenario zum Leben erwacht, und es zur Flucht zu nutzen?«
Harald schüttelte den Kopf. »Blofeld kann es nicht gewesen sein, denn der Alarm hat ihm die Zeit genommen, den Tresor aufzubrechen, in dem die Originale lagen. Er musste unverrichteter Dinge türmen. Die Kopien des Schmucks, die so gut wie fertig waren, hat er übrigens liegen gelassen, obwohl sie auch einen beträchtlichen materiellen Wert haben. Das hat uns nicht zuletzt darauf gebracht, dass es ihm um den Hochzeitsschmuck an sich geht – und dass er sich auskennt, denn die Kopien sind wirklich gut geworden
Weitere Kostenlose Bücher