Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
Vom Netzwerk:
wechselseitig dienen, um » im Austausch ihrer Tätigkeit sich gegenseitig zu bereichern und zu beglücken «, dann heißt das für den republikanisierten König auch die »Emanzipation des Königtums«.
    Eine andere Gedankenlinie der Rede weist schon auf das Kernthema des Ring des Nibelungen voraus, wenn der Redner nämlich gegen die Herrschaft des Geldes aufbegehrt. Wenn man sich gegen despotische Fürsten und Aristokraten auflehnt, sich weigert, »leibeigen« und »Untertan« zu sein, dann ist es auch verwerflich, »dem starresten, unregsamsten Produkt der Natur, dem bleichen Metall, in knechtischer Leibeigenschaft untertänig zu sein«. Das soll die Folge der Emanzipation der Menschheit sein: »wie ein böser nächtlicher Alp wird dieser dämonische Begri ff des Geldes von uns weichen mit all seinem scheußlichen Gefolge von ö ff entlichem und heimlichem Wucher, Papiergaunereien, Zinsen und Bankiersspekulationen.« (SS XII, 220–229)
    Vor dem Hintergrund dieser vorrevolutionären Publizistik sind auch Wagners dramatische Pläne im Jahre 1848 zu sehen. Es ist das Geburtsjahr seiner Nibelungendichtung. Neben der spekulativen Schrift Die Wibelungen. Weltgeschichte aus der Sage , die seinen ersten Versuch einer neuen Mythostheorie darstellt, welcher sein Nibelungendrama vorbereiten soll, konzipiert er einen – bereits wie eine konzentrierte Inhaltsangabe der ganzen späteren Ring -Tetralogie anmutenden – Prosaentwurf Die Nibelungensage (Mythus) als erste Skizze zu der Oper Siegfried’s Tod (1848), aus welcher schließlich die Götterdämmerung hervorgehen wird. Das Problem Wotans, dass er den Ring des Nibelungen durch Unrecht an sich gebracht hat, »aber das Unrecht nicht tilgen kann, ohne neues Unrecht zu begehen«, ist in diesem Entwurf schon deutlich artikuliert und wird in einer Sprache zum Ausdruck gebracht, welche auf Wagners Revolutionsrhetorik zurückweist: »nur ein, von den Göttern unabhängiger, freier Wille […] kann den Zauber lösen, und in dem Menschen ersehen die Götter die Fähigkeit zu solchem freien Willen. In den Menschen suchen sie also ihre Göttlichkeit überzutragen, um seine Kraft so hoch zu heben, daß er, zum Bewußtsein dieser Kraft gelangend, des göttlichen Schutzes selbst sich entschlägt, um nach eigenem freien Willen zu thun, was sein Sinn ihm eingiebt. Zu dieser hohen Bestimmung, Tilger ihrer eigenen Schuld zu sein, erziehen die Götter den Menschen, und ihre Absicht würde erreicht sein, wenn sie in dieser Menschenschöpfung sich selbst vernichteten, nämlich in der Freiheit des menschlichen Bewußtseins ihres unmittelbaren Ein fl usses sich selbst begeben müßten.« (GS II, 158)
    Anders als am Ende der späteren Götterdämmerung wird schließlich nicht nur »der Nibelungen Knechtschaft« gelöst, sondern auch Alberich soll von seiner dämonischen Verführung durch den Ring befreit und »selbst auch frei« sein. In gleichem Sinne verkündet Brünnhilde in Siegfried’s Tod :
    Ihr Nibelungen, vernehmt mein Wort!
eure Knechtschaft künd’ ich auf:
der den Ring geschmiedet, euch Rührige band, –
nicht soll er ihn wieder empfah’n, –
doch frei sei er wie ihr! (GS II, 227)
    Eine Götterdämmerung gibt es noch nicht. Vielmehr wird die Macht von Brünnhild[e] auf ewig in die Hände Wotans gelegt. »Nur einer herrsche, Allvater, herrlicher, du!« (GS II, 166) Und in Siegfried’s Tod fügt sie hinzu: »Freue dich des freiesten Helden!« (GS II, 227)
    Die politische Metaphorik des Mythos ist nicht zu verkennen. Die Götter übertragen ihre Göttlichkeit auf den Menschen, heben sich gleichsam in ihm, in seiner Freiheit auf (»Der Mensch ist die Vervollkommnung Gottes«, heißt es in Wagners Bruchstücken eines Dramas Achilleus , 1849; SS XII, 281) – wie die Mächtigen dieser Erde ihre Herrschaft auf die einstigen Untertanen übertragen, in deren Freiheit ihre Macht aufheben: so das Ziel der Revolution. Wenn Brünnhild[e] am Ende Wotan doch wieder die Herrschaft und Macht übergibt, scheint das ein Widerspruch zu sein, doch der Göttervater ist hier ebenso wie der König in Wagners Rede Wie verhalten sich republikanische Bestrebungen dem Königtum gegenüber? der von sich selbst Emanzipierte, »der erste des Volkes, der Freieste der Freien!«. Und wenn Alberich mit den Nibelungen »selbst auch frei« ist, dann ist er ebenfalls von sich selbst, von der ›Untertänigkeit‹ gegenüber dem »bleichen Metall« emanzipiert, frei vom »dämonischen Begri ff « des Geldes, das

Weitere Kostenlose Bücher