Riemenschneider
tüchtige Mutter.«
»Sind nicht alle von mir. Nur der Große da.«
Es dauerte einige Atemzüge. »Und wo hast du die anderen her?«
»Ich versorg sie. Wenigstens die Kleinen. Anziehen, spielen, ich flicke ihre Sachen, sehe zu, dass sie ordentlich essen …«
»Von morgens bis abends?«
»Das ist Arbeit genug.«
»Und die Mutter?«
»Sie führt das Haus.«
Die Alte saugte geräuschvoll an ihren Backenzähnen. »Nur von Herrschaften auf den Burgen hab ich bis jetzt so was gehört, dass sie Frauen bezahlen, die ihnen die Kinder großziehen. Aber auch in der Stadt?«
»Meine Herrin ist nicht so gesund, deshalb.«
»Dann erzähl mir mal …«
Und Magdalena hatte gern und ausführlich geantwortet, bis nun die Fanfaren die Ankunft des Königs meldeten. So wohl hatte ihr das Geplauder mit der Bäuerin getan, die furchtbaren Bilder von Rupert und seiner Familie waren ein wenig in den Hintergrund gedrängt, das Atmen fiel ihr wieder leichter.
Katharina hüpfte auf der Stelle und stieß ihrem Florian in die Seite. »Ich sehe den König …« Längst bändigten neu gewachsene Schneidezähne ihre Zungenspitze und hielten das S im Zaum. »Ganz viele Könige sind es. Oder?«
»Gar keine siehst du«, erklärte der erfahrene Beobachter nachsichtig. »Der König sitzt hinten in der Kutsche, das da vorn auf den Pferden sind seine Trompeter und die Eskorte.«
»Aber schöne Kleider haben sie.«
Florian seufzte. »Das sind Uniformen.«
Groß sah Katharina zu ihm auf, schlüpfte mit der Hand in seine. Als er es erlaubte, strahlte sie und fühlte sich nun gegen alle Fehler gefeit.
Trompeter und Vorhut hielten vor dem Torhaus an. Mit Anziehen der Zügel und leisen Zurufen brachte der Kutscher hinter ihnen den königlichen Sechsspänner zum Stehen, Schaum stand den Schimmeln ums Maul. Die Bläser hoben die Hörner. Kurze, schmetternde Stöße stiegen auf, und während sie weithin die Ankunft seiner Majestät verkündeten, verließ die Abordnung des Stadtrates, angeführt von Tilman Riemenschneider, das Torhaus und näherte sich der rechten Seite des hochherrschaftlichen Wagens.
Die Fanfaren verstummten, dafür setzte gedämpfter Jubel ein, er blieb noch verhalten, als die Herren sich vor dem geschlossenen Kutschenschlag verneigten, dann aber öffnete sich das Fenster, und das Antlitz des Herrschers erschien, unter schwarzen Brauen leuchteten die bernsteinfarbenen Sonnenaugen auf.
»Hoch, König Max. Vivat! Vivat!« Und mit der zunehmenden Begeisterung wuchsen ihm die Herzen der Bürger entgegen.
Oben auf dem Gemüsekarren reckten die drei kleinen Söhne des Bildschnitzers die Hände, winkten. Das Rufen der Frauen und Männer steckte an, und Barthel stimmte als Erster mit ein, wenig später auch die beiden Brüder; ein Wettstreit entbrannte: Wer konnte lauter, ausdauernder schreien.
Am Wagen nahmen die Herren des Rates ihre samtenen Barette ab, und Tilman Riemenschneider trat einen Schritt vor. Gleich ebbten die Hochrufe ab.
»Willkommen, Eure königliche Majestät. Die Bürger von Würzburg …«
Nun schwieg der Jubel. Vom Gemüsekarren aber tönte, jetzt gut vernehmlich, der helle Dreiklang weiter: »Vater! Vater! Vater!«
»Es ist uns eine hohe Ehre …«
»Vater! Vater! Vater!«
Sichtlich gestört wandte Til kurz den Kopf zu den Schreihälsen, bemühte sich aber, den Faden seiner Ansprache nicht zu verlieren. » … Mögen Eurer Majestät stets Gottes Segen und Glück …«
Ohne Unterbrechung schrien die Rotschöpfe, als Magdalena versuchte, ihnen Einhalt zu gebieten, steigerten sie sich noch.
Tilman Riemenschneider runzelte die Stirn: »Und so will ich noch mal Eure Majestät im Namen des Stadtrates willkommen heißen …«
Da winkte ihn der König näher. »Hab Dank, guter Mann. Lass es genug sein! Mir scheint, gegen diesen Chor kannst du nur schwer ansingen.« Das Lächeln verbreitete sich. »Im Vertrauen, sind das deine Söhne?«
»Verzeiht, Majestät, ich bitte um Nachsicht. Sie sind noch unwissend.«
»Nein, nein, sag das nicht.« Der Verschlag öffnete sich. Maximilian I. drehte sich sitzend dem Sprecher des Stadtrates zu und stützte die Ellbogen auf die Knie. Im Plauderton fuhr er fort: »Sie jubeln schon dem Richtigen zu. Was sollen die Buben mit einem König? Du bist ihr Held, ihr Beschützer und, so hoffe ich, auch ihr Freund.«
»Eure Majestät beschämen mich.«
»Nun, zeig dich huldvoll und nimm den Jubel an, sonst schreien sie sich noch die Kehle aus dem Hals.«
Til winkte zum Gemüsekarren hinüber, zwischendurch gab er
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