Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
Vom Netzwerk:
Nadelpistolen bewaffnet, die Splitter aus kristallinem Betäubungsmittel verschießen. Das Anästhetikum löst sich augenblicklich auf, sobald es in die Blutbahn gelangt. Wir setzten die gleichen Waffen ein, aus einem ähnlichen Grund: Ein Krimineller muß am Leben bleiben, bis das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist, um anschließend in einem Regierungshospital hingerichtet zu werden. Deswegen rechnet nicht einmal ein ARM je damit, einen Menschen zu töten. In der Theorie.
    Eines Tages hatte mich jedoch die Praxis eingeholt. Ein keiner Hinterhofpascher namens Raphael Haine versuchte, einen Alarmknopf in seiner eigenen Wohnung zu erreichen. Hätte er es geschafft, wäre buchstäblich die Hölle losgebrochen. Haines Männer hätten mich betäubt, und ich hätte mein Bewußtsein stückchenweise in Haines Organbänken wiedererlangt. Mir war nichts anderes übrig geblieben, als ihn zu erwürgen.
    Der Bericht war noch immer im Computer, doch nur zwei Menschen wußten außer mir davon. Einer war mein direkter Vorgesetzter, Lucas Garner. Der andere war selbstverständlich Julie.
    Bis heute war Haines der einzige Mensch, den ich je getötet hatte.
    Und Graham war Beras erster Toter.
    »Wir haben ihn am Flughafen gestellt«, erzählte Bera. »Er trug einen Hut. Ich wünschte, es wäre mir früher aufgefallen; wir hätten vielleicht schneller reagieren können. Wir schlichen uns mit gezogenen Nadlern an ihn heran. Er drehte sich um und entdeckte uns. Als er sah, daß es keine Fluchtmöglichkeit mehr für ihn gab, griff er unter seinen Hut und fiel um.«
    »Er hat sich selbst getötet?«
    »Mmm-hm.«
    »Wie das?«
    »Sehen Sie sich seinen Kopf an.«
    Ich trat näher an den Tisch heran, wobei ich mich bemühte, den Arzt nicht bei der Arbeit zu behindern. Er war damit beschäftigt, durch induktive Resonanz Informationen aus dem Gehirn des Toten zu extrahieren, doch er kam nicht recht voran.
    Auf Grahams Schädel entdeckte ich ein flaches, rechteckiges Kästchen. Schwarzes Plastik, vielleicht halb so groß wie ein gewöhnliches Kartenspiel. Ich berührte das Kästchen und bemerkte, daß es fest mit Grahams Schädel verbunden war.
    »Ein Ekstasestecker, aber keine Standardausführung. Dieser hier ist zu groß.«
    »Mmm-hm.«
    Mich durchfuhr ein eisiges Frösteln. »Der Kasten besitzt eine Batterie.«
    »Richtig.«
    »Ich habe mich schon immer gefragt, ob es so etwas gibt. Ein mobiler Wonnestecker! Mann, genau das wünsche ich mir zu Weihnachten!«
    Bera zitterte am ganzen Leib. »Sagen Sie nicht so etwas!«
    »Wußten Sie, daß Graham stromsüchtig war?«
    »Nein. Wir hatten Angst, seine Wohnung zu verwanzen. Er hätte etwas bemerken oder einen Tipp von dritter Seite erhalten können. Sehen Sie sich dieses Ding doch einmal genauer an.«
    Das Gehäuse ist beschädigt, dachte ich. Das schwarze Plastik sah aus wie halb geschmolzen.
    »Hitze«, mutmaßte ich. Dann dämmerte es mir. »Oh!«
    »Mmm-hm. Er entleerte die gesamte Batterie mit einem Schlag. Die ganze tödliche Ladung ging durch sein Gehirn, direkt durch das Lustzentrum. Mein Gott, Gil, wissen Sie, was ich mich immer wieder frage? Wie hat es sich angefühlt? Gil, wie hat es sich angefühlt, so zu sterben?«
    Ich klopfte ihm auf die Schulter. Mir fiel keine intelligente Antwort ein. Er würde wahrscheinlich noch einige Zeit darüber rätseln.
    Hier lag der Mann, der Owen den Draht in den Schädel verpflanzt hatte. War sein Tod eine einzige, gewaltige Höllenqual gewesen, oder hatte er sämtliche Freuden des Paradieses in einem sengenden Blitz verspürt? Eine Höllenqual, wie ich inbrünstig hoffte … obwohl ich es nicht glaubte.
    Wenigstens lief Graham Kenneth nicht mehr irgendwo in der Welt herum, ließ sich nicht irgendwo ein neues Gesicht machen und neue Augen und Fingerabdrücke aus Lorens illegalen Organbänken.
    »Nichts«, sagte der Arzt. »Sein Gehirn ist zu stark verbrannt. Die noch verbliebenen Informationen sind so stark verstümmelt, daß sie keinerlei Sinn ergeben.«
    »Versuchen Sie’s trotzdem«, sagte Bera.
    Ich verließ leise das Labor. Vielleicht würde ich Bera später einen Drink spendieren. Er schien ihn nötig zu haben. Bera war einer von den wenigen, die noch Mitgefühl besaßen. Ich wußte, daß er diesen entsetzlichen Rausch aus Ekstase und Schmerz, mit dem Graham die Welt hinter sich gelassen hatte, beinahe körperlich spürte.
     
    Die Holoaufnahmen der Kameras von Monica Appartements waren bereits Stunden zuvor im Hauptquartier eingetroffen.

Weitere Kostenlose Bücher