Ringwelt
dieses gleißende Objekt konnte unmöglich eine Sonne sein. Denn teilweise von diesem verdeckt, zeichnete sich vor dem vakuumschwarzen Hintergrund ein Streifen blauen Himmels ab. Dieser himmelblaue Streifen war vollkommen gerade, mit scharfen Kanten, fest, künstlich erschaffen und breiter als die beleuchtete Scheibe.
»Sieht aus wie ein Stern mit einem Reifen darum herum«, sagte Louis. »Was stellt es wirklich dar?«
»Sie dürfen die Abbildung behalten, um sie eingehender zu studieren, wenn Sie wollen. Ich beabsichtige, ein Forscherteam zusammenzustellen, das aus vier Mitgliedern besteht. Sie und ich gehören dazu.«
»Um was zu erforschen?«
»Es steht mir noch nicht frei, Ihnen das zu verraten.«
»Oh, kommen Sie! Ich wäre verrückt, mich mit verbundenen Augen auf ein Abenteuer einzulassen.«
»Meinen Glückwunsch zum zweihundertsten Geburtstag«, sagte der Puppetier.
»Vielen Dank«, erwiderte Louis verwirrt.
»Warum haben Sie Ihre eigene Geburtstagsparty verlassen?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Aber doch! Seien Sie ehrlich, Louis Wu. Warum haben Sie Ihre eigene Geburtstagsparty verlassen?«
»Ich entschied, daß zwanzig Stunden zu kurz wären für einen zweihundertsten Geburtstag. Deshalb dehnte ich ihn aus, indem ich immer vor der Mitternachtslinie hereilte. Als ein fremdes Wesen würden Sie das nicht begreifen .«
»Sie waren also so glücklich über Ihr erfülltes Leben?«
»Nein, nicht ganz. Nein .«
Nicht glücklich, sondern eher das Gegenteil. Obgleich sich die Party recht erfreulich entwickelt hatte.
Er hatte sie eine Minute nach Mitternacht an diesem Morgen begonnen. Warum nicht? Seine Freunde wohnten auf jeder Zeitlinie. Es gab keinen Grund, auch nur eine Minute dieses Tages zu verschwenden. Schlafgeräte waren über das ganze Haus verteilt, für schnelle, kurze Tiefschlaf-Pausen. Für die Gäste, die nichts versäumen wollten, standen Weckamine bereit, manche mit interessanten Nebenwirkungen.
Es waren Gäste gekommen, die Louis hundert Jahren nicht mehr gesehen hatte, und andere, die er täglich traf. Manche von ihnen waren vor langer Zeit seine Todfeinde gewesen. Frauen waren darunter, die er vollkommen vergessen hatte, und er wurde sich ein paarmal staunend bewußt, wie sehr sein Geschmack sich geändert hatte.
Wie zu vermuten waren viel zu viele Stunden für das Vorstellen der Gäste vergangen. Die Liste der Namen mußte im voraus auswendig gelernt werden! Zu viele Freunde waren zu Fremden geworden.
Ein paar Minuten vor Mitternacht war Louis Wu in die Reisekabine getreten, hatte gewählt und war verschwunden.
»Es war stinklangweilig«, sagte Louis Wu. »>Berichten Sie uns doch von Ihrem letzten Urlaub, Louis.< >Wie bringst du es nur fertig, so lange allein zu bleiben, Louis? Wie clever von dir, den Trinok-Botschafter einzuladen, Louis! Haben uns lange nicht gesehen, Louis.< >He, Louis, warum braucht man drei Jinxier, um einen Wolkenkratzer anzumalen?<«
»Warum braucht man wen?«
»Drei Jinxier!«
»Oh, man braucht einen zum Halten der Spritzpistole, und zwei, die den Wolkenkratzer rauf- und runterbiegen. Ich habe den Witz schon im Kindergarten gehört. Das ganze tote Treibholz meines Lebens, all die alten Witze, alles in einem einzigen Haus. Ich konnte es nicht mehr aushalten!«
»Sie sind ein ruheloser Mann, Louis Wu. Ihr Jahresurlaub - Sie waren es doch, der diese Sitte erfand, nicht?«
»Ich weiß nicht, wann sie entstanden ist. Aber sie wurde gut aufgenommen. Die meisten meiner Freunde halten sich daran.«
»Aber nicht so oft wie Sie. Ungefähr alle vierzig Jahre werden Sie der Menschheit überdrüssig. Und dann verlassen Sie das Universum der Menschen und dringen über die Grenze des bekannten Alls hinaus. Sie halten sich in der Einsamkeit in einem Ein-Mann-Schiff auf, bis Sie sich wieder nach Gesellschaft sehnen. Sie kehrten von Ihrem letzten, Ihrem vierten Jahresurlaub, vor zwanzig Jahren zurück.
Sie sind rastlos, Louis Wu. Auf jeder Welt im menschlichen Universum haben Sie so viele Jahre verbracht, daß Sie dort als Eingeborener gelten. Heute haben Sie Ihre Geburtstagsfeier verlassen. Setzt sich die Ruhelosigkeit wieder durch?«
»Das ist doch mein Problem, nicht wahr?«
»Ja. Mich interessiert es nur unter dem Aspekt der Rekrutierung. Sie wären eine gute Wahl als Mitglied eines Forscherteams. Sie scheuen nicht das Risiko, aber Sie durchdenken jedes Wagnis gründlich. Sie fürchten sich nicht vor der Einsamkeit. Sie sind vorsichtig und intelligent genug,
Weitere Kostenlose Bücher